Kommentar Boulevardjournalismus: Verantwortung outgesourct
Die Recherchemethoden der "Bunte" könnten aus einem mäßigen Detektivroman stammen. Auch das Sich-aus-der-Verantwortung-stehlen-wollen der Zeitschrift ist ein Skandal.
Hoch gepokert wird derzeit auf dem deutschen Boulevard, genauer gesagt in seiner vermeintlich etwas edleren Variante, dem People-Journalismus. Dessen Renommier-Blatt Bunte soll laut Stern das Liebesleben von Politpromis wie Oskar Lafontaine und Franz Müntefering mit Methoden ausgeleuchtet haben, die von der präparierten Fußmatte bis zum Einschleusungsversuch via Praktikum aus einem mäßigen Detektivroman stammen könnten.
Bunte ist sich keiner Schuld bewusst - denn es waren ja keine Bunte-Journalisten, die so handelten. Die Verantwortung ist längst bequem outgesourct und wird weiter geschoben: an die Agentur CMK, die mal als Unternehmen für journalistische Recherche, mal als Detektei auftritt. Neben den unlauteren Spähmethoden ist dieses Sich-aus-der-Verantwortung-Stehlen der eigentliche Skandal.
Steffen Grimberg ist Medienredakteur der taz.
Und was macht das gescholtene Unternehmen? Auch hier wird munter weiter gepokert und die Verantwortung in schönster Unschuld weitergereicht. Nicht feste CMK-Angestellte hätten im Bunte-Auftrag gehandelt, sondern freie Mitarbeiter. Von deren widerrechtlichen Arbeitsmethoden distanzierte sich CMK gestern ausdrücklich: Die "äußerst fragwürdigen Recherchemethoden" seien von "zwei ehemaligen freischaffenden Leuten offensichtlich selber durchgeführt" worden. Es ist ja auch so einfach: Dass Auftraggeber gar nicht wissen wollen, wer da wie für sie arbeitet, ist heute leider Standard. Das Ergebnis zählt: Verantwortung stört in der Leistungsgesellschaft nur.
Seit den Bespitzelungsaktionen gegen Kritiker und Journalisten bei der Deutschen Bahn AG oder der Telekom, von denen die Auftraggeber auch nichts wussten und über deren Methoden sie anschließend ähnlich schockiert waren, sollte das aber doch hinlänglich bekannt sein.
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