Kluge Opposition sieht anders aus : KOMMENTAR VON ULRIKE WINKELMANN
Die Grünen-Fraktion im Bundestag hat sich entschieden: Sie will weiter regieren und nicht opponieren. Dumm nur: Die Umstände sind nicht danach. Und so haben die Grünen erneut bewiesen, dass es nicht nur sehr schwer ist, sich von einer Regierungs- in eine Oppositionspartei zu verwandeln, sondern dass man bei dieser Metamorphose sogar noch mehr falsch machen kann, als selbst ein missgünstiges Publikum erwartet hätte.
Wie so oft entstand ein großer Fehler aus einem zunächst unscheinbaren Anlass. Das Votum für Jürgen Trittins Gesetzentwurf und gegen Reinhard Loskes Entschließungsantrag zur Atommülllagerung ist erst einmal bloß eine Sachentscheidung der kleinsten Oppositionsfraktion, also ein Votum für die Ablage. Darüber hätte sich selbst bei den Grünen kaum einer aufgeregt.
Aber strategisch gesehen war es auch ein Votum für einen rot-grünen Entwurf, in dem alle Kompromisse mit der SPD mitgedacht waren – und gegen einen Entwurf, mit dem die Grünen Streit mit SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel angefangen hätten. Und personell gesehen war es ein Votum für den Exumweltminister, der in der Fraktion längst für Außenpolitik zuständig ist – und gegen den Vizechef und profiliertesten Umweltpolitiker der Fraktion.
Dass Loske dies als Absage an seine Arbeit und die seines Arbeitskreises sieht und den Krempel hinwirft, ist deshalb, wenn auch bedauerlich, so doch verständlich. Dass er erklärt, als Umweltpolitiker „fühlt man sich bei den Grünen mittlerweile ziemlich einsam“, macht die Sache noch schlimmer. Denn schon seit dem Wahlkampf versuchen die Spitzengrünen, gerade das Alleinstellungsmerkmal „Umwelt“ wieder stärker zu betonen. Schließlich verheißt das nicht nur Anschlussfähigkeit ins konservative Lager, sondern soll auch die Kernklientel in Dürrezeiten binden.
Denn eigentlich sind grüne Wähler verblüffend treu. Sie haben großes Zutrauen in ihre Politiker, komplexe, aber intelligente Lösungen zu finden und zu vertreten. Nur scheint die Fraktion immer noch Schlausein mit Regieren zu verwechseln. Intelligente Opposition jedenfalls sieht anders aus.