piwik no script img

Klimakrise fördert Frühgeburten

Die Zahl der Hitzetage, die für Schwangere gefährlich sein können, steigt aufgrund der Erderhitzung. In Deutschland erwarten For­sche­r*in­nen deutlich mehr zu früh geborene Kinder

Von Jonas Waack

Weltweit steigt in Folge des Klimawandels die Anzahl der Tage, die für Schwangere gefährlich heiß sind und zu Frühgeburten führen können. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Nichtregierungsorganisation Climate Central. Von 2020 bis 2024 kam es demnach in 222 der 247 untersuchten Länder zu doppelt so vielen Hitzetagen, wie in einer Welt ohne Klimawandel zu erwarten gewesen wären. In einem Drittel der Länder kam sogar ein ganzer Monat von Hitzetagen hinzu.

In Deutschland traten zwischen 2020 und 2024 jährlich durchschnittlich 22 Hitzetage auf, die für Schwangere gefährlich werden können, 50 Prozent mehr, als in einer Welt ohne Klimawandel zu erwarten gewesen wären. In Berlin waren es 14 Hitzetage mehr, in Hamburg 11 und in München 13.

Der Untersuchung von Climate Central zufolge sorgte im Globalen Süden die Erderhitzung für die meisten zusätzlichen Hitzetage. Dort kommt es laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgrund der schlechteren medizinischen Versorgung ohnehin häufiger zu Todesfällen bei der Geburt als in Europa und Nordamerika.

Für ihren Bericht haben die Wis­sen­schaft­le­r*in­nen von Climate Central Temperaturdaten ausgewertet. Sie nehmen auf Grundlage verschiedener Studien an, dass Hitze für Schwangere gefährlich wird, wenn es heißer ist als 95 Prozent der an einem Ort gemessenen Temperaturen. Diese Beobachtungen vergleichen sie mit Daten einer modellierten Welt ohne Klimawandel, um festzustellen, um wie viel die Zahl der für Schwangere gefährlichen Hitzetage aufgrund der Erderhitzung gestiegen ist. Climate Central hat aber nicht die Zahl der tatsächlichen Frühgeburten aufgrund des Klimawandels untersucht.

Extreme Hitze während der Schwangerschaft kann der WHO zufolge neben Frühgeburten auch Bluthochdruck und Schwangerschaftsdiabetes zur Folge haben.

Andrea Nakoinz, Ärztin im Hitzeteam der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit, hält den Bericht für einen wichtigen Beleg, dass der Klimawandel zu einem höheren Gesundheitsrisiko von Schwangeren beiträgt. Dementsprechend müssten besonders Krankenhäuser klimaresilienter werden: „Überhitzte Kreißsäle und Stationen, fehlendes Personal, unzureichende Abdeckung von Hitzefolgen in der Ausbildung von Gesundheitsberufen – der deutsche Gesundheitssektor ist auf die Auswirkungen der Klimakrise nicht vorbereitet.“

Eine Studie des Hamburger Universitätsklinikums kam zu dem Ergebnis, dass bis zum Jahr 2033 fast jedes sechste Kind in Deutschland wegen der zunehmenden Hitze eine Frühgeburt sein könnte. Das wäre eine Verdoppelung der heutigen Zahlen. Die Me­di­zi­ne­r*in­nen erklären den Anstieg damit, dass Schwangere in nördlichen Breitengraden weniger gut mit Hitzestress umgehen können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen