piwik no script img

Archiv-Artikel

Kleinselbstständige sind die Verlierer der Hartz-Reform Alles Schmarotzer

Der Vorteil von so genannten Gesetzespaketen ist, dass nicht alle Details öffentlich ausgewalzt werden können. Und so fand im „Fortentwicklungsgesetz“ zur Arbeitsmarktreform Hartz IV, das vorgestern durch den Bundestag ging, auch eine kleine Änderung zwar Platz, aber keine Aufmerksamkeit: die Abschaffung der freiwilligen Arbeitslosenversicherung für Selbstständige.

Die Möglichkeit für Selbstständige, wie ein Arbeitnehmer für den Fall der Arbeitslosigkeit – also Auftragsdürre – Anspruch auf das Arbeitslosengeld I zu erwerben, wurde erst zum Februar dieses Jahres eingeführt. Es war ein Versuch, den sich verändernden Bedingungen der Arbeitswelt zu entsprechen, die man „Prekarisierung“ nennt: der Abbau von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zugunsten von neuen Formen der Erwerbstätigkeit, die mehr Unsicherheiten und Absturzgefahren mit sich bringen.

Schwups, weg ist sie wieder. Begründungslos. Gleichzeitig wurde außerdem gekappt: die Ich-AG, die Förderung für Kleinstselbstständige, die sich damit aus der Arbeitslosigkeit hangeln sollten. Sie wird mit dem bisherigen Überbrückungsgeld für Arbeitslose ersetzt durch den Gründungszuschuss, der nur noch Empfängern von Arbeitslosengeld I zusteht. So will die große Koalition eine Milliarde Euro pro Jahr sparen. Nun galten Ich-AG und Überbrückungsgeld zwar als zwei der ganz wenigen Maßnahmen, die überhaupt positive Wirkung bewiesen haben. Dies schien der Koalition jedoch egal zu sein – Ende der Diskussion.

Groß beklagt wird dagegen derzeit der Umstand, dass Selbstständige plötzlich anfangen, ergänzendes Arbeitslosengeld II zu beantragen. Wie selbstverständlich dienen diese selbstständigen „Aufstocker“ nun als weiteres Beispiel in der Missbrauchsdebatte: Selbstständige haben schlicht nicht weniger als den ALG-II-Satz zu verdienen.

Die große Koalition weiß nicht, ob und in welchem Maße sie Kleinselbstständigkeit unterstützen möchte. Sie hat keine Vorstellung, wie sie mit dem Schwund an gesicherter Beschäftigung umgehen soll. Im Zweifel aber erklärt sie alle, die in ihren Akten unliebsam auffallen, zu Sozialmissbrauchern. Super Konzept. ULRIKE WINKELMANN