: Klaus Steinmetz' Einstieg beim Verfassungsschutz
■ Wie ein V-Mann zusammen mit dem späteren Topspitzel Steinmetz Verfassungsschützer enttarnen wollte und Steinmetz dabei selbst angeheuert wurde
Der Mann gab sich seinen Decknamen selber. Ab sofort sollte er nur noch als „Bernd Burkhay“ in den Akten des Amtes geführt werden. „Burkhard“, wie sich der Student der Elektrotechnik ursprünglich nennen wollte, war nicht möglich. Dieser Name war bereits vergeben. Vierzehn Tage lang überlegte der sogenannte Selbstanbieter, Jahrgang 1960, noch ob er wirklich für den Verfassungsschutz wirken wollte, dann stimmte er zu.
Im April 1983 konnte der Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz so einen Neuzugang verbuchen, der Informationen aus der Kaiserslauterner Szene versprach: über die GegnerInnen des US-Flughafens in Ramstein, über die Anti- Giftgas-Initiative in Pirmasens oder über die örtlichen Mitglieder der DFG/VK. Vierzehn Monate währte die beiderseitig ertragreiche Zusammenarbeit. Der V- Mann legte im Auftrag des Amtes rund 40.000 Kilometer im eigenen Wagen zurück, die Zuwendungen waren nach längerem Poker von anfänglich 200 auf 600 Mark im Monat gestiegen. Für den Bafög- Bezieher war das bereits ein relevanter Teil seines Unterhaltes. Trotzdem fand das Unternehmen mit Zukunft ein abruptes Ende – mehr oder weniger trug daran ein anderer die Schuld: Klaus Steinmetz.
Doch auch ohne Einwirkung von außen hätte Burkhay es im V- Mann-Leben kaum so weit wie Steinmetz bringen können. Dagegen sprach nicht nur seine grandiose Selbstüberschätzung, als Choleriker stand er sich auch häufig selber im Wege. Von einem Dienststellenleiter des Verfassungsschutzes fand er sich nicht ernst genug genommen, wichtig machen wollte er sich wohl auch, also beschloß er im Frühjahr 1984, den Spieß umzudrehen und den Verfassungsschutz auszuforschen.
Reichlich naiv plante der Mann, heute Mitglied der Grünen und gleichzeitig Waffennarr, seine Treffen mit den Verfassungsschützern Rolf Hill und Dieter Keppler observieren und fotografieren zu lassen. Naming names, damit hätte man in der Szene auch die eigene Kontaktaufnahme zum Verfassungsschutz hinterher rechtfertigen können.
Einen Mitstreiter, der mit Fotoapparaten umgehen konnte, fand Burkhay in einem Kommilitonen, der bei den Naturwissenschaftlern seiner Universität Lebensmittelchemie studierte. In der Uni vertrat dieser im Asta die „Aktion Alternative Liste“, und für die Grünen kandidierte der Gleichaltrige später auf Listenplatz drei für den Kreistag. Der Mann hieß Steinmetz, Vorname Klaus.
Zur Offenbarung gegenüber Steinmetz, den Burkhay im Vorfeld geplanter Blockadeaktionen vor dem amerikanischen Militärstützpunkt Ramstein kennengelernt haben will, kam es Mitte Mai '84. Eine Stunde, erinnert sich der 34jährige Burkhay heute, hat das Vier-Augen-Gespräch im Chemielabor der Alma mater gedauert. Danach war abgemacht: Burkhay gibt alle kommenden Termine und Treffpunkte mit den Verfassungsschützern, die üblicherweise in einem Ausflugslokal am Stadtrand stattfanden, umgehend an Steinmetz weiter. Der versprach zu fotografieren – auch einige Leute wollte er organisieren.
Die anschließenden Treffen wurden dann alternativ überwacht und abgelichtet. Der verhängnisvolle Fehler ereignete sich jedoch schnell. Unbemerkt nutzten die Verfassungsschützer einmal beim Gang in die Gaststätte die Seitentür und entdeckten dabei den Mann mit dem Fotogerät gegenüber dem Haupteingang. Offenbar schalteten sie sofort. Plötzlich wimmelte es von Staatsschützern, der alternative Spähangriff war aufgeflogen. Steinmetz konnte zwar abhauen, wurde aber später von Verfassungsschützern aufgesucht. Burkhay blieb anschließend nur noch übrig, bei seinen Verfassungsschützern auszupacken und eine „Abschalterklärung“ zu unterzeichnen.
Die von Steinmetz geschossenen Fotos tauchten nie auf. Dafür blieben aber Burkhay die Worte seiner Führungsbeamten im Gedächtnis: Die „Wahl des Partners“ sei der Fehler gewesen.
Seither rätselt der V-Mann mit der kurzen Karriere. Hat er Steinmetz dem Verfassungsschutz zugeführt und diesem damit eine Topquelle verschafft? Oder, was das Selbstwertgefühl weit mehr kränkt, ist er selbst einem V-Mann auf den Leim gegangen?
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