: Keinen blassen Schimmer -betr.: Interview mit Christoph Blumenberg, taz vom 12.4.1996
Ihr Interview-Artikel über Hans-Christoph Blumenberg (Bremen-taz v. 12.4.96) hat mich bedauerlicherweise wider Erwarten ziemlich geärgert. Es drängte sich mir der Eindruck auf, daß der Fragesteller (Alexander Musik) von Blumenbergs außergewöhnlichen Kriterien keinen blassen Schimmer hat. Und auch, daß Herr Musik keinen der frühen Filme Blumenbergs kennt.
Es wurde überdeutlich, daß Herr Musik Hans-Christoph Blumenberg als intelligenten Kino- und Filmkenner ganz und gar nicht zu schätzen weiß. Anders kann ich es mir nicht erklären, wie jemand so unsinnige Fragen stellen kann wie: „Warum haben Sie vor 13 Jahren die Seiten gewechselt: vom Kritiker zum Regisseur? Hatten Sie etwas zu sagen, was Sie nur filmisch ausdrücken konnten?“ Da kommt man sich doch sowohl als Kritiker als auch als Filmemacher verarscht vor!
Und nun zu einer Sache, die mir ursprünglich Anlaß gab, diesen Leserbrief zu verfassen. Sie schreiben, Blumenbergs neuester Film: „Beim nächsten Kuß knall ich ihn nieder!“, sei „in 33 karg ausgestatteten Szenen“ ein Portrait Reinhold Schünzels.
Meiner Kenntnis des Films entzieht sich nicht etwa das Portraithafte, aber ganz gewiß, daß der Film aus „33 Szenen“ besteht. Auch an dieser Stelle möchte ich Sie nicht etwa über die Zahl 33 belehren (da habe ich voll Faszination über den Film nicht mitgezählt), sondern hier ist der Begriff „Szene“ unkorrekt. Eine „Szene“ ist nach dem „Einzelbild“ und der „Einstellung“ die drittkleinste Einheit, in die man einen Film einteilen kann.
Besser – und vor allem richtiger! – wäre, von „Sequenz“ oder gar „Episode“ zu sprechen. In der heutigen Filmzeitschriften- und Zeitungsflut gibt es, möchte ich behaupten, keinen mehr, der sich so gut auskennt wie Blumenberg es vermochte. Keinen, der so treffend in seinen Beobachtungen und Schlußfolgerungen war, wie Blumenberg. Keine Kritik ist heute mehr so lehrreich, wie die von Blumenberg es heute noch sind.
Und was sagte ein großer Regisseur einmal:“Kritiker sind die einzigen, die sich nach einem Films noch professionell mit ihm beschäftigen.“ David Leann
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