Keine Verfassungsänderung für Pirateneinsatz: Bundeswehr darf Geiseln befreien
Ein Sprecher des Innenministeriums räumte ein, dass eine Befreiung deutscher Geiseln nach geltendem Recht möglich ist.
BERLIN rtr | Die Bundesregierung hat eingeräumt, dass für eine Befreiung der deutschen Geiseln aus der Gewalt somalischer Piraten durch die Bundeswehr keine Grundgesetzänderung nötig ist. Im Fall der "Hansa Stavanger" sei ein solcher Einsatz auch nach derzeit geltendem Recht möglich gewesen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Wegen des Widerstands des Koalitionspartners SPD erwarte die Bundesregierung vor der Wahl im September keine Einigung mehr auf eine Verfassungsänderung.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich zuvor für eine Klarstellung im Grundgesetz starkgemacht, die den Einsatz der Bundeswehr-Elitetruppe KSK bei Geiselbefreiungen im Ausland ermöglichen sollte. Sie schloss sich damit einer Forderung von CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble an. Die Polizei-Elitetruppe GSG-9, die Schäuble unterstellt ist, hatte vor Kurzem einen Einsatz zur Befreiung der Geiseln auf dem vor Somalia gekaperten deutschen Frachter "Hansa Stavanger" abgebrochen. Seither gibt es Streit über die Aufgabenverteilung zwischen GSG-9 und KSK. Die Regelungen des Grundgesetzes hätten die Arbeit des Krisenstabes jedoch nicht behindert, erklärte das Auswärtige Amt. "Nichts ist unterblieben, weil das Grundgesetz dafür keine Handhabe bot", sagte ein Sprecher von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).
Sozialdemokraten und Liberale warfen Merkel und Schäuble vor, eine Scheindebatte zu führen. Befreiungsaktionen durch die Bundeswehr seien längst durch das "Atalanta"-Mandat für den EU-Einsatz gegen die Piraterie im Golf von Aden abgedeckt, argumentierte der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold kritisierte, Schäuble arbeite über einen Umweg lediglich weiter auf sein altes Ziel hin, die Aufgaben von Polizei und Bundeswehr im Inland zu vermischen.
Auch der FDP-Politiker Rainer Stinner lehnte eine Grundgesetzänderung als überflüssig ab. "Schon im Jahr 2006 hat die Bundesregierung, mit Zustimmung der Bundeskanzlerin und des Innenministers, ein Weißbuch zur deutschen Sicherheitspolitik beschlossen, in dem Geiselbefreiungen ausdrücklich als Aufgabe der Bundeswehr festgeschrieben sind", sagte er.
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