piwik no script img

Archiv-Artikel

■ Keine Privatangelegenheit Kokser und Hurenböcke

betr.: „Justiz betreibt Rufmord“, Kommentar von Bettina Gaus, taz vom 21./22. 6. 03

Ich bestreite nicht, dass im Fall Friedman Rufmord wie im Fall Daum betrieben wird, und dass der Fall Friedman kein Einzelfall ist, ist auch klar. Es gibt im Prominenten- und nicht Prominentenmilieu jede Menge Kokser und Hurenböcke.

Man sollte allerdings nicht vergessen, dass genau diese Typen dafür verantwortlich sind, dass in den letzten Jahren besonders in Osteuropa kriminelle Banden entstanden sind, die die Nasen und Schwänze dieser Typen mit Nachschub zu versorgen. Jedes Jahr erhöht sich die Zahl der Drogendealer und auch deren wirtschaftlicher Einfluss in Osteuropa. Jedes Jahr bringen Zuhälter mehr und mehr junge Frauen in ihre Gewalt, um sie in Deutschland der Prostitution zuzuführen und sexuell auszubeuten.

Der „Fall Friedman“ wäre eine gute Gelegenheit einmal darauf hinzuweisen, dass entgegen der Aussagen deutscher Politiker und Polizisten, nicht unser schönes Land von organisierter Kriminalität aus dem Osten überschwemmt wird, sondern deutsche Männer dafür verantwortlich sind, dass in Osteuropa bestimmte Formen der Kriminalität entstanden sind, unter denen die Menschen dort zu leiden haben.

Im Übrigen sind Huren nicht die Privatangelegenheit von Herrn Friedman. Wenn das so wäre, würde die Polizei nicht regelmäßig gewalttätige Razzien gegen nicht EU-Prostituierte durchführen, sie in Abschiebehaft nehmen und mittellos, nach Beschlagnahme ihrer Wertsachen in die Heimatländer, direkt in die Arme ihrer Zuhälter abschieben. Leider scheint Ihnen das nicht bekannt zu sein. Auch scheinen Sie nicht zu wissen, dass es in humanistischen Rechtsstaaten nicht nur kriminell sein sollte, Frauen zur Prostitution zu zwingen, sondern auch ihnen einen großen Teil ihres Verdienstes abzupressen. Es ist schon erschreckend wie in den deutschen Medien Zuhälter und Menschenhändler fast wie sympathische „Manager“ von Prostituierten dargestellt werden.

Auch scheint Ihnen nicht bekannt zu sein, dass weder in Deutschland noch sonst irgenwo auf der Welt Begriffe wie freiwillige und Zwangsprostitution klar definiert sind, und ob Frauen, die in Osteuropa in erbärmlichen sozialen Verhältnissen leben, sich freiwillig prostituieren, erscheint mir mehr als fraglich. Leider haben es die Hurenböcke aus Politik, Polizei und Justiz geschafft, in den letzten Jahrzehnten eine Rechtslage zu schaffen, die Prostituierte großzügig kriminalisiert und Zuhälter und Menschenhändler praktisch entkriminalisiert. […]

FRIDA TRESCH, Annemasse, Frankreich

Ja, in der Tat, „der unterschiedliche Grad der öffentlichen Ächtung von Drogenmissbrauch orientiert sich mehr an gesellschaftlichen Konventionen als an objektiven Kriterien“. Frau Gaus hat nur vergessen die Frage zu stellen, warum das so ist. Ob nun Wecker, Daum, Friedman, Mayer, Müller, Schulze – was den so genannten illegalen Drogenmissbrauch anbelangt (in diesem Zusammenhang werden nicht nur die Karrieren von Prominenten vernichtet, sondern, viel schlimmer, das Leben von direkt Betroffenen.

Woran es fehlt, dass endlich einmal eine realistische Drogenpolitik begonnen wird. Raus aus dem Milieu, aus dem Rotlicht, aus der Krimininalität. Raus aus Erpressung, Mord und Totschlag. Übrigens, Erpressung auch von Seiten der Ermittlungsbehörden, von Polizeien und Staatsanwaltschaften. Was in diesem Bereich täglich passiert, ist ein unfassbarer Skandal. Ein legal Drogenabhängiger, zum Beispiel vom Alkohol, wird mit Recht therapiert. Ein illegal Drogenabhängiger, zum Beispiel von Kokain, wird inhaftiert. Droge ist Droge, krank ist krank, und Mensch ist Mensch, so einfach ist das. […] Nicht der kleine Dealer, der seine eigene Sucht mit Handel finanziert, und schon gar nicht das „arme Schwein“, der Konsument oder Abhängige sind das Problem. Das Problem sind die international agierenden Drogenkartelle, denen mit ihren milliardenschwerden Gewinnen durch eine völlig falsche Drogenpolitik und genauso daraus gebildete falsche Rechtsprechung erst das Geschäft ermöglicht wird.

Diese Wahnsinnssummen sind bereits in den ganz normalen Wirtschaftskreislauf eingeflossen, auch in westlichen Ländern. Da traut sich kein Politiker heran. In den Produktionsländern werden schon ganze Staatshaushalte aufgekauft, wenn dafür Wohlwollen signalisiert wird. Der arme Bauer in Kolumbien baut natürlich auch weiter lieber die Kokapflanze an als Kartoffeln und Gemüse, wenn er für das Erstere das Zehnfache an Preis erzielen kann.

Die Heuchelei, die gigantische Heuchelei muss verschwinden, dann wird den tatsächlich betroffenen Menschen geholfen, und als Nebeneffekt hört dieser ganze Unsinn mit Prominenten auch auf. KLAUS ZINNER, Bochum

Der Kommentar von Bettina Gaus ist der Skandal zum Skandal: Die „osteuropäischen Huren“, die Friedman bei einem Menschenhändlerring bestellt haben soll, wären mitnichten „seine private Angelegenheit“. Die illegal eingeschleppten und erpressbaren Frauen sind Opfer, ihre Situation beruht ebenso wenig auf „privaten“ und i. d. Sinne „freien“ Entscheidungen. […]

WANDA TINASKY, Vechta

Wie stellt Mann sicher, dass Prostituierte, die mit einem Zuhälter arbeiten, ihr Gewerbe freiwillig ausüben, Frau Gaus? Fragt man sie und hofft auch bei Frauen, die zuvor wochenlang von ihrem Zuhälter eingeschüchtert, geschlagen und vergewaltigt wurden, auf eine ehrliche Antwort – oder schaut man ihnen einfach nur ganz tief in die Augen?

Friedman konnte gar nicht herausfinden, ob die Damen zu ihren Dienstleistungen gezwungen wurden. Wie hundertausende andere auch muss er es schlicht in Kauf genommen haben! Das ist unerträglich und bei jemandem, der sich konsequent und glaubwürdig gegen menschenverachtenden Umgang mit Minderheiten gestemmt hat, außerdem verlogen.

KLAUS KOHLERT, Düsseldorf

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor. Die erscheinenden Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.