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Keine Expertenmäkelei -betr.: "Die Stunde der Bedenkenträger", taz vom 25.4.94

Betr.: „Die Stunde der Bedenkenträger“, taz vom 25.4.

Nur ein Bekloppter kann Spielberg vorwerfen, er zeige in „Schindlers Liste“ nicht die Geschichte des Dritten Reiches. Also kann ich so etwas nicht gesagt haben. Spielberg zeigt einen „Gerechten“, wie Schindler in Israel gennant worden ist, mitten in der Welt des Bösen.

Die aktuelle Diskussion begreift ihn aber als einen wichtigen Beitrag zum Bewältigen unserer eigenen Situation in Deutschland. Der Ansatz ist aber falsch. Nicht die organisierte Ermordung von Minderheiten und staatlich begüstigte Bestialität sind heute unser Problem, sondern die allmählich wachsende Ausgrenzung von Minderheiten unter den Augen aller.

Die jüdischen Mitbürger wurden in Deutschland nach 1933 Schritt für Schritt isoliert, diffamiert, bis ab 1941 der Massenmord begann. Die ersten Schritte auf diesem Weg nach Auschwitz vollzogen sich öffentlich, und jeder Deutsche sah zu. Das ist aber auch unsere jetzige Situation, die wir begreifen müssen. Mit dem KZ-Schlächter Göth hat natürlich keiner heute etwas im Sinn, aber Ausgrenzung und Diffamierung geschehen wieder vor unser aller Augen.

Das aber ist eine andere und sehr notwendige Diskussion, die über Schindlers Liste nicht vergessen werden darf. Das kann kapiert werden, weil es keine Expertenmäkelei an Spielbergs eindrucksvollem Film ist. H.W. Franke

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