Kein Politikwechsel im Fall Guantánamo?: US-Bericht hält Lager für "human"
Eine Pentagon-Untersuchung des Gefangenenlagers auf Kuba nährt Zweifel am Richtungswechsel in Washington. Auch die Häftlinge im afghanischen Lager Bagram sollen nicht mehr Rechte erhalten.
![](https://taz.de/picture/360943/14/Guantanamo_02.jpg)
WASHINGTON afp Ein Pentagon-Bericht, nach dem im US-Gefangenenlager Guantánamo die Genfer Konventionen eingehalten werden, hat Zweifel an einem Politikwechsel in Washington ausgelöst. Menschenrechtsgruppen kritisierten den Bericht als beschönigend und ungenau. Für Kritik sorgte zudem die Weigerung der US-Regierung, den Gefangenen auf dem afghanischen Stützpunkt Bagram mehr Rechte einzuräumen.
Die Gefangenen in Guantánamo würden human und im Einklang mit den Genfer Konventionen sowie mit US-Gesetzen behandelt, heißt es nach Angaben eines US-Regierungsvertreters in dem von Präsident Barack Obama in Auftrag gegebenen Bericht. Einzelheiten wollte der Regierungsvertreter am Freitag bei seinem Gespräch mit Journalisten in Washington nicht nennen. Auch das US-Verteidigungsministerium wollte sich zunächst nicht über Inhalte äußern. Laut New York Times empfiehlt der Bericht Lockerungen der Isolation der Häftlinge und die verstärkte Einbindung der Gefangenen in Gruppenaktivitäten. Dies entspricht einer Forderung von Menschenrechtsorganisationen.
Wegen der Einschätzung, in Guantánamo würden die Genfer Konventionen zum Umgang mit Kriegsgefangenen eingehalten, hagelte es jedoch bereits vor der Veröffentlichung des Berichts Kritik. Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union kritisierte das "Übertünchen" der mutmaßlichen Misshandlungen von Gefangenen während der Amtszeit von Präsident George W. Bush. Obama selbst habe gesagt, dass in Guantánamo nationales und internationales Recht verletzt werde. Daher sei der Bericht so "verstörend", erklärte der Aclu-Vorsitzende Anthony Romero.
Amnesty International (AI) zweifelte an der Genauigkeit des Berichts. Dies sei allerdings "nicht verwunderlich", da die Analyse nicht von einer unabhängigen Stelle stamme, erklärte AI-Vertreter Tom Parker. Menschenrechtsorganisationen werde nach wie vor der Zugang zu dem Lager verweigert. Obama hatte die Schließung Guantánamos binnen eines Jahres angekündigt.
Für weitere Kritik sorgte die Entscheidung des US-Justizministeriums, den 600 Gefangenen auf dem Militärstützpunkt Bagram in Afghanistan auch künftig keinen besseren Rechtsstatus einräumen. Das Ministerium entschied am Freitag, dass die Gefangenen in Bagram keinen Anspruch darauf haben, die gegen sie erhobenen Vorwürfe und Beweismaterialien zu kennen sowie ihre Haft vor US-Zivilgerichten anzufechten. Damit hält die neue Regierung in Washington an der Praxis der Vorgängerregierung fest.
Konkret wurden die Anträge von vier Häftlingen aus Bagram - zweier Jemeniten, eines Afghanen und eines Tunesiers - zurückgewiesen, die sich auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA zum Umgang mit den Gefangenen in Guantánamo beriefen. Die Verteidiger reagierten enttäuscht. Die Regierung Obama übernehme damit eine Position, die "dazu beigetragen hat, unser Land zu einem Aussätzigen zu machen, weil es die Menschenrechte sträflich missachtet", sagte die Anwältin Barbara Olshansky.
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