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Karge Berichterstattung-betr.: "Der Panther sind wir", taz vom 31.1.90

betr.: „Der Panther sind wir“, taz vom 31.1.90

Es ist traurig, daß die taz erst jetzt, nach fast zwei Monaten des Beginns der StudentInnenproteste in Palermo (Streik und Besetzung begannen am 4.Dezember 1989, seit dem 15.Januar in ganz Italien) einen Artikel zu diesem Thema schreibt. Erstaunlich, wo doch im Jahr zuvor die Kommentare über die bundesdeutsche StudentInnenbewegung sich nur so häuften - und übrigens auch in Italien darüber ausführlichst berichtet wurde.

Um so fataler wird die mangelnde Bereitschaft der Berichterstattung wenn man beachtet (was Raith nicht macht), daß die italienischen StudentInnen eine Hochschulreform bekämpfen, die nicht auf Italien zu beschränken ist, sondern ein europaweites Phänomen darstellt. Die Reform Rubertis sieht eine Privatisierung der Universitäten vor, eine „Anbindung an die Arbeitswelt“ bei gleichzeitiger „freier Forschung“, das heißt direkte Einflußnahme der Industrie und Unternehmen auf den Bildungsplan und damit einhergehend eine gnadenlose Konkurrenz und Selektion unter den Studierenden.

Wenn sich W.Raith über den „Panther“ und „Fax“ ausläßt schillernde und nicht unwesentliche Begleiterscheinungen der Bewegung - vergißt er allerdings, daß die Studierenden während der Wochen des Streiks für sie neue Arbeits- und Lebensformen innerhalb der Universität entwickelt haben. Sie verstehen die Besetzungen und Streiks als eine pazifistische, demokratische und antifaschistische Bewegung. (Dies ist nicht unwesentlich, denn es findet eine permanente Verleumdung von seiten der Katholiken und der Democrazi Cristiana statt sowie „Gegenbesetzungen“ von neofaschistischen Gruppen.) In Basisgruppen werden an den jeweiligen Fakultäten verschiedene Aspekte der Universität (zum Beispiel „Didaktik“) oder des „Reformpaketes“ von Ruberti analysiert, Alternativvorschläge entwickelt, um sie in den Vollversammlungen zu diskutieren, zu verabschieden und an andere Fakultäten weiterzuleiten.

Die Möglichkeit einer internationalen Solidarität und die einer Zusammenarbeit zwischen den Studierenden der jeweiligen EG-Länder hat die taz mit ihrer kargen Berichterstattung erschwert.

Marion Koch, Hamburg/Rom

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