KURZKRITIK: KLAUS IRLER ÜBER „DER GOLDENE DRACHE“ : Zugängliche Schicksale
Die Aluschachtel ist allgegenwärtig in der Welt der Schnellrestaurants, weil sie Geschwindigkeit paart mit Flexibilität. Sie soll warm halten und ist verdammt kühl. Das macht sie zu einem Symbol der Globalisierung.
Die Zuschauer im Schauspielhaus blicken frontal in eine Aluschachtel, deren Grundfläche fast so groß ist wie die Bühnenrückwand. Die Aluschachtel ist die Küche des Restaurants „Der Goldene Drache“ und zugleich das Erdgeschoss eines Wohnhauses. Fünf SchauspielerInnen sind auf der Bühne und spielen jeweils mehrere Rollen.
Es treten auf: Eine illegal arbeitende chinesische Küchenkraft mit Zahnschmerzen, ein saufender einheimischer Prolet, eine asiatische Prostituierte, zwei überkandidelte Flugbegleiterinnen, ein geiler Alter. Die Küchenkraft kann keinen Zahnarzt aufsuchen und verblutet, nachdem die Kollegen den faulen Zahn gezogen haben. Die Prostituierte wird durch körperliche Gewalt auch psychisch zerstört. Die Flugbegleiterin findet den gezogenen Zahn in der Suppe.
Es ist eine klischeehafte Welt, die Autor Roland Schimmelpfennig da entworfen hat. Nahe geht sie trotzdem, weil die Schauspieler keine naturalistische Darstellung versuchen: Sie sprechen die Regieanweisungen mit, treten als Erzähler aus dem Geschehen heraus, überzeichnen die Figuren, spielen Männer, wenn sie Frauen sind und umgekehrt. Regisseur Klaus Schumacher gibt den sehr guten Schauspielern Raum, ihr Können auszuspielen. Auf diese Weise werden die so plakativen Schicksale zugänglich. Ein beeindruckender Effekt.
nächste Vorstellungen: 24. 2., 3. 3. und 9. 3., 20 Uhr, Schauspielhaus