KURZKRITIK: „DER ÖDIPUS ANTIGONE KOMPLEX“ : Ich und Du, aber vor allem ich
Im August hat Angela Richter, 38, bei den Salzburger Festspielen eine Aufführung von Jon Fosses „Tod in Theben“ auf die Bühne gebracht – und ist im großen Stil gescheitert. So sagt sie es selbst und so sagen es die Kritiker, die die Inszenierung in Grund und Boden gestampft haben, Richtung: Studentenniveau, der Salzburger Festspiele nicht würdig.
Am Donnerstag nun hat Richter eine überarbeitete Version des Stücks auf Kampnagel gezeigt. Sie hat es umgetauft in „Der Ödipus Antigone Komplex“, die Spieldauer von zweieinhalb auf eineinhalb Stunden verkürzt und eine weitere Figur ins Bühnengeschehen integriert. Diese neue Figur ist sie selbst, gespielt von der Schauspielerin Melanie Kretschmann.
Das muss man wissen, weil Kretschmann/Richter zu Beginn erstmal erzählt, was die Kritiker Schlimmes geschrieben haben und gleich klar stellt: Mit Ödipus und der Antike sei man nicht warm geworden, man habe heute andere Probleme und wolle lieber etwas über „die Wirklichkeit erfahren“, also über das Hier und Jetzt und das Du und Ich.
Das sieht dann so aus, dass die acht Schauspieler auf einer Bühne, über der hunderte Glühbirnen von der Decke hängen, auf Zuruf kollektiv in eine bestimmte Stimmung verfallen – „verkatert“, „sexy“, „traurig“ – und den Ödipus-Text sprechen. Dazu bekommt fast jeder einen Soloauftritt, bei dem er aus dem Kollektiv heraustritt, Ödipus ignoriert und von etwas erzählt, das ihn individuell beschäftigt: Zum Beispiel ein Kinderwunsch, eine Unfähigkeit zu Trauern, die Schikane eines Regisseurs oder – im Fall von Richter – die Verrisse der Kritiker.
So entsteht 1-A-Nabelschautheater, dessen ironische Brechung manchmal funktioniert, häufig aber auch nicht. Deswegen ist dieser Abend manchmal lustig, häufig aber ist er peinlich.
Ungewöhnlich ist, dass die Regisseurin sich ohne Fiktionalisierung eins zu eins selbst zum Thema macht. Das wirkt auf den ersten Blick ziemlich verwegen. Und auf den zweiten verdammt narzisstisch. KLAUS IRLER
nächste Termine: Samstag, 19.30 und Sonntag, 21 Uhr, Kampnagel