KURZKRITIK: ANDREAS SCHNELL ÜBER „MEIN FREUND HARVEY“ : Der Tor des Monats
Dass der Mensch dem Menschen ein Wolf sei und sich – gegen seine Natur – deshalb den Staat schuf, der ihn (den Menschen) bändige, ist eine alte Leier. Dass der Anarchist Kropotkin das nicht wahrhaben wollte und in aller Welt Beispiele für das Gegenteil fand, half wenig.
„Mein Freund Harvey“ von Mary Chase, das am Donnerstag in der Regie von Dirk Böhling im Schauspielhaus Premiere hatte, erinnert sacht an diese alte Debatte, indes ohne gesellschaftliche Perspektive, sondern als menschelndes Plädoyer für die kleinen Verrücktheiten. Die Geschichte von Onkel Elwood, der seiner Familie mit einem eingebildeten Zwei-Meter-Hasen Harvey so auf die Nerven geht, dass sie ihn in die Klapsmühle stecken will, ist die Geschichte des reinen Toren, der beweist, dass nicht er verrückt ist, sondern die Welt um ihn – mitsamt den Spezialisten in der Psychiatrie. Auch das seit der Verfilmung mit James Stewart keine neue Geschichte.
Im Schauspielhaus sorgt im angestaubten Bühnenbild vor allem Guido Gallmann als Elwood P. Dowd für Kurzweil. Wo James Stewart verhuschten Charme verströmt, ist sein verrückter Onkel hier ein alerter Vollsympath. Das übrige Ensemble agierte solide bis souverän, dafür gab es viel Applaus.
Samstag und Donnerstag, 20 Uhr, Neues Schauspielhaus