KUNSTRUNDGANG : Andrea Edlinger schaut sich in den Galerien von Berlin um
Blutrot leuchten Angela Dwyers Collagen von den Wänden der Galerie Volker Diehl. Sie erinnern an manche Schüttbilder des Wiener Aktionisten Hermann Nitsch. Und obwohl Angela Dwyers Arbeiten ebenso wie Nitsches Malerei etwas Rohes anhaftet, sind sie dennoch sehr viel filigraner. Mit Kohle, Pastell und Kreide malt, zeichnet und schreibt die gebürtige Neuseeländerin auf sich überlagernde Papierschichten. So gibt es keine sauberen Ecken und Kanten, manchmal hängen Papierfetzen herab, und die Arbeiten sind einfach mit Nägeln an die Wand geschlagen. Ahab, den blutrünstigen Kapitän aus Herman Melvilles Klassiker „Moby Dick“, zitiert Angela Dwyer ebenso wie Brueghels Turm Babel oder Tizians Diana – Rot ist die Farbe der Sehnsucht, und wichtiger als die Themen scheinen indes die unglaublich leuchtenden Farben, die Materialien und die Arbeitsweise der Wahlberlinerin.
Zwei Mädchen mit Hochsteckfrisuren und rot-weiß geblümten Sommerkleidern führen wie Geister durch Šejla Kamerić’ traumartige Videoarbeit „What do I know“, die in der daadgalerie zu sehen ist. Sie sitzen auf dem Brunnen im Garten, beobachten Männer bei Reparaturarbeiten am Auto, laufen plötzlich Treppen hinauf ins Schlafzimer, wo ein Mann seine Liebste im Arm hält, beobachten die Frau dann beim Tanzen im Café. Gedreht hat die aus Bosnien-Herzegowina stammende Künstlerin im Haus ihrer Großeltern in Sarajevo, das seit dem Bürgerkrieg unbewohnt ist. Alle Personen werden von Kindern dargestellt – so wie auch Šejla Kamerić als Kind in diesem Haus spielte. Der Film läuft zeitversetzt auf vier Leinwänden: Wenn er an einer Stelle endet, fängt er an der anderen wieder an, dort ist er melancholisch, hier wird schon wieder gelacht. Man kann das als persönliches wie als politisches Statement lesen: Geschichte hört niemals auf.
Angela Dwyer: „girls, dogs, falling cities“, bis 29. März, Di–Sa 11–18 Uhr, Galerie Volker Diehl, Lindenstr. 35 Šejla Kamerić: „What do I know“, bis 15. März, tgl. 11–18 Uhr, außer So, daadgalerie, Zimmerstr. 90/91