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Archiv-Artikel

KUNSTHÄNDLER ERNST VON LOESCH WUCHS AM ZERSTÖRTEN KURFÜRSTENDAMM AUF Wilhelminische Ruinen

Die Leute vom Kurfürstendamm

VON ESTHER SLEVOGT

Ernst von Loesch kam 1949 zum Kurfürstendamm. Er war fünf und die Straße eine Ruinenlandschaft. Die Faszination des Jungen für dieses Szenario war so groß, dass sie geschmacks- und berufsbildend wurde: von Loesch ist Kunsthändler und handelt (auch international sehr erfolgreich) mit Architekturzeichnungen und Modellen aus dem 18. Jahrhundert. Weil damals die Architektur stark von der Antike inspiriert war, gilt auch Zeichnungen und Stichen antiker Ruinen von Loeschs große Vorliebe. In ihnen sieht man das Gegenwärtige aus dem Vergangenen, das Neue aus dem Zerstörten auferstehen.

Das galt auch am Kurfürstendamm, als um 1950 die zerstörten Prachtbauten aus der Gründerzeit langsam Flachbauten mit Läden wichen, von Leuchtreklamen gekrönt: Der Möbelhandel „Feyerabend“ neben dem Gloriapalast etwa, wo der ausgebombte (oder auch nur vergangenheitsmüde) Westberliner Gediegenes, aber Nagelneues aus deutscher Eiche erstehen konnte, wie von Loesch mit süffisanter Ironie berichtet.

Seine Mutter Susanne hatte in zweiter Ehe den Schriftsteller Franz Tumler geheiratet, und ihre Teestunden wurden bald zum Jour fixe der Westberliner Kunst- und Kulturszene der unmittelbaren Nachkriegszeit. Renée Sintenis, Werner Held oder Werner Gilles verkehrten dort. Prominentester Gast war Gottfried Benn, ein Freund des Stiefvaters. Der führte, so erzählt es von Loesch noch immer amüsiert, die Mutter einmal ins Haus Wien am Kurfürstendamm aus. Dort wurde zum Tee getanzt. Benn aber zog sich mit dem Satz aus der Affäre, er sei ein schlechter Tänzer und beobachte die Damen lieber. Arme Mutter!

Ohne Glanz

Schon damals hatten sich auch Kunsthandlungen am Kurfürstendamm niedergelassen und versuchten, an die große Vorkriegstradition anzuknüpfen: die legendäre Galerie Rosen. Oder Pelz-Leusden, aus der in den Achtzigern das Auktionshaus Villa Grisebach hervorgehen sollte. Doch da die bedeutendsten Kunsthändler nicht aus der Emigration zurückgekehrt waren, blieb Berlin als Kunsthandelsplatz ohne Glanz. Die nach dem Krieg eröffneten Kunsthandlungen zogen irgendwann fort. 1970 waren es dann Billigläden und Peepshows, die das Flair der Straße prägten, an der Ernst von Loesch noch immer lebt.

Er selbst war im Hauptberuf als Inneneinrichter erfolgreich. Er war in das Geschäft seiner Großmutter Susanne Gropp eingetreten, zu deren Kunden die Frontstadt-Elite von Atze Brauner bis Axel Springer zählte. Die Großmutter hatte schon mit Kunst gehandelt: kostbare Accessoires für kostbare Interieurs. Lange bevor er sich in den 90er Jahren erfolgreich als Händler etablieren konnte, hatte er selbst mit dem Sammeln begonnen – von Architekturzeichnungen und Modellen: aus Marmor, Speckstein oder Kork kunstvoll gefertigte Säulenensembles oder antikisierende Gebäudefragmente, manchmal nur ein paar Zentimeter hoch.

Inzwischen ist Berlin wieder eine Stadt des Kunsthandels geworden. Allerdings nicht am Kurfürstendamm, wo die Ruinen wilhelminischer Prachtbauten von Loeschs Leidenschaft entfachten.