KOMMENTAR VON WOLF SCHMIDT : Alte Idee, neuer Ärger
Kanzlerin Angela Merkel hatte einen Plan: Die Koalition zwischen Union und FDP kann nur funktionieren, wenn der Innenminister kein Haudrauf ist, der ständig mit der bürgerrechtsliberalen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger aneinandergerät. Also konnte Wolfgang Schäuble den Job nicht mehr machen, der in apokalyptischen Stunden schon mal darüber sinnierte, dass ein Terroranschlag mit einer schmutzigen Nuklearbombe nur eine Frage der Zeit sei – bis dahin solle man sich aber bitte schön nicht die Laune verderben lassen.
Es musste ein sanfterer Sheriff her. Thomas de Maizière übernahm den Posten in der schwarz-gelben Koalition. Zwar war er auch oft anderer Meinung als die FDP, aber immerhin forderte er nicht ständig Gesetzesverschärfungen – und schon gar nicht Dinge, für die es im Parlament keine Mehrheiten gibt, etwa den Bundeswehreinsatz im Innern. Doch dann flog Plagiator Guttenberg auf. Merkel brauchte einen neuen Verteidigungsminister. Weil die Reform der Bundeswehr die wichtigste Baustelle der Regierung zu sein schien, musste der erfahrene Politmechaniker de Maizière ran.
Machtpolitisch war das für den Moment ein schlauer Zug. Doch zweieinhalb Monate nach dem Kabinettsumbau zeigt sich, dass Merkel damit den schwarz-gelben Koalitionsfrieden riskiert hat. Zwar ist auch der neue Innenminister Hans-Peter Friedrich für CSU-Verhältnisse kein Ober-Haudrauf. Aber mehr und mehr legt er sich mit dem Koalitionspartner an: Die unglücklichen Äußerungen über den Islam, dann der Streit über die Antiterrorgesetze, dazu der Dauerzwist um die Vorratsdatenspeicherung – und jetzt holt er auch noch die Uraltforderung nach dem Einsatz der Bundeswehr im Innern wieder hervor – übrigens eine der Lieblingsideen von Schäuble.
Innenminister Friedrich weiß, dass es nach wie vor keine Zweidrittelmehrheit für eine Grundgesetzänderung im Parlament gibt, die hierfür nötig wäre. Er muss gewusst haben, dass die Liberalen verärgert reagieren würden, wenn er das Thema trotzdem wieder aufwärmen würde. Hinter vorgehaltener Hand werden die Kommentare von Koalitionären immer ätzender – sowohl die von FDP-Politikern über den Innenminister als auch die von Unionspolitikern über die Justizministerin.
„Zusammenhalt“ stand auf dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom Oktober 2009. Beim Thema Innere Sicherheit klingt das nach einem schlechten Witz. Gemeinsamkeiten gibt es kaum, verbindende Projekte schon zweimal nicht. Der Koalitionsfrieden ist – einmal wieder – passé.