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Archiv-Artikel

KOMMENTAR VON NICK REIMER Kopenhagen: Endlich eine Basis für Verhandlungen

Der Verhandlungstext ist ein großer Schritt. Was jetzt noch fehlt, sind große Zahlen

Ein großer Schritt für die Klimakonferenz – aber nur ein kleiner für den Klimaschutz: Die Vorsitzenden der Arbeitsgruppen, John Ashe und Michael Zammit Cutajar, haben am Freitag einen offiziellen Verhandlungstext vorgelegt. Damit geht es zum ersten Mal in Kopenhagen nach vorn.

Bis dato nämlich waren die Klimadiplomaten ausschließlich mit Abwehrarbeit beschäftigt: Die USA wollen das Kioto-Protokoll nicht unterschreiben, sie wünschen sich ein anderes Klimasystem. China akzeptiert das nicht, sondern fordert eine zweite Handlungsperiode unter dem Kioto-Protokoll. Die Staaten mit deckungsgleicher Interessenlage spielen in den jeweiligen Mannschaften mit: Industriestaaten im Team der USA, Schwellen- und Entwicklungsländer bei den Chinesen.

Die Systemfrage ist entscheidend: Im Kioto-Protokoll steht, dass lediglich die Industrieländer ihre Emissionen mindern müssen – schließlich stammen 80 Prozent aller Treibhausgase in der Atmosphäre von ihnen. China lehnt es wegen dieser historischen Schuld ab, über eigene Reduktionsbemühungen auch nur zu reden.

Andererseits wird ohne die Schwellenländer wie China das Zwei-Grad-Ziel nicht mehr zu schaffen sein. Und weil es im Kioto-Regime keine Spielregel gibt, die China und Co. zu eigenen Reduktionszielen zwingen kann, fordern die USA nicht zu Unrecht ein neues System. Ein Abkommen in Kopenhagen droht so ausgerechnet am Kioto-Protokoll zu scheitern: Die Konferenz konnte sich in der ersten Woche noch nicht einmal einigen, worüber sie nun eigentlich berät.

Auf geringes Wohlwollen stoßen auch die deutschen und EU-Finanzzusagen. Wenn Geld, das schon einmal zur Hungerbekämpfung versprochen war, nun ein zweites Mal mit Gönnermiene offeriert wird, muss das Misstrauen der Entwicklungsländer weiter wachsen. Wer von China stärkeres Engagement beim Reduzieren verlangt, der muss den Chinesen mehr zahlen und auch den 159 anderen Staaten der G 77. Deshalb ist der Verhandlungstext ein großer Schritt. Was jetzt noch fehlt, sind große Zahlen.