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Archiv-Artikel

KOMMENTAR VON BARBARA DRIBBUSCH ÜBER DEN KITA-STREIK UND SEINE ÖKONOMISCHEN ASPEKTE Weg vom Mythos der Ersatzmama

Kitas schaffen Steuergelder, auch weil Mütter und Väter heutzutage mehr arbeiten

Es ist eine Revolution: Noch nie wurden so viele Kinder in Deutschland außerhalb der Familie in öffentlichen Tagesstätten betreut, erst recht nicht so viele Kleinstkinder. Und noch nie waren die Erwartungen an die öffentliche Betreuung so groß. Vorbei sind die Zeiten, als die Qualifikation einer „Kindergärtnerin“ vor allem in einer Art Warmherzigkeit zu bestehen schien und sie als „Ersatzmama“ zu fungieren hatte.

Mit der emotionalisierten Betrachtung der Kita-Arbeit muss Schluss sein – und dabei ist der laufende Kita-Streik, der auch nach Pfingsten weitergehen wird, hilfreich. Nur mit einem kalten, ökonomischen Blick lassen sich die Bedingungen in den Kindertagesstätten tatsächlich verbessern.

ErzieherInnen sind keine Ersatzeltern, sie sollen heute vielmehr BetreuerInnen, PflegerInnen, SprachpädagogInnen, SozialarbeiterInnen, TherapeutInnen in einem sein für Menschen in ihrer wichtigsten, nämlich der frühesten Lebensphase. Das ist viel verlangt. Daher ist es okay, wenn bessere Bezahlung und mehr wissenschaftliche Inhalte in der Ausbildung gefordert werden. Genauso wichtig ist es aber, über Personalausstattung, also gewissermaßen über die Produktionsbedingungen zu reden.

Es hilft der Vergleich mit der Wirtschaft: In einer Fertigungsstraße im Fahrzeugbau etwa wird die Stelle eines langzeitkranken Kollegen nicht frei gelassen, sondern nachbesetzt, sonst stünde die Fertigung still. In den Kitas aber klaffen überall Personallöcher. Und das gilt als ganz normal. Dies liegt auch daran, dass die Qualitätskriterien unklarer sind. Man kennt die Vorurteile, die aufkommen, wenn etwa zwei ErzieherInnen rauchend auf einem Spielplatz zusammenstehen, während die Kleinen sich auf der Rutschbahn vergnügen: Aha, das soll er also sein, der schwierige Job, für den die Frauen jetzt auch noch eine bessere Bezahlung wollen? Die Kita-Arbeit war schon immer diesem Verdacht ausgesetzt, dass es sich letztlich nur um eine Art Bewachungsgewerbe mit Spielstunden handelt.

Aber die Kita-Arbeit ist eine gesellschaftliche Investition, und deren Produktionsbedingungen sollten wie in jedem Unternehmen festgeschrieben werden können. Das ist nicht herzlos. Kitas ermöglichen es Millionen von Elternpaaren, insbesondere Müttern, erwerbstätig zu sein, Geld zu verdienen, und das in Zeiten des Fachkräftemangels. Damit sind sie eine Einrichtung, die indirekt Steuergelder produziert. Und daher auch mehr Steuergelder kosten darf.