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Archiv-Artikel

KOMMENTAR VON ASTRID GEISLER ZUM ABHÖRSKANDAL UM DAS HANDY DER BUNDESKANZLERIN Eine neue Dimension

Die Handygate-Affäre lässt den geschäftsführenden Minister schlecht aussehen

Die Kanzlerin ist also empört. Der US-Geheimdienst NSA soll sich an ihr Mobiltelefon herangewanzt haben: Ja, geht’s noch, lieber Herr Obama? Der Ärger klingt erst mal verständlich, das Smartphone zählt zu Angela Merkels wichtigsten Regierungswerkzeugen.

Allerdings müsste sich ihr Unmut ehrlicherweise nicht nur gegen den Verbündeten jenseits des Atlantiks richten. Die CDU-Chefin selbst hat – eifrig unterstützt von den Innenpolitikern der Union – in den vergangenen Monaten alles getan, um die Abhöraffäre abzumoderieren und die Bevölkerung einzulullen. Wer als Oppositionspolitiker darauf hinwies, dass es mehr offene als beantwortete Fragen im NSA-Skandal gebe, wurde von den Unionsvertretern als Hysteriker hingestellt. Der Vorwurf lautete gar: Die Opposition schlachte das Thema unlauter zu Wahlkampfzwecken aus.

Merkels Geheimdienstkoordinator Ronald Pofalla (CDU) erklärte die Affäre offiziell für beendet. Weitere Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Geheimdienstaffäre wurden für überflüssig erklärt. Und nun? Kramen die Herrschaften hektisch die monatealten Fragenkataloge an die Freunde in Washington heraus und merken, wie viele weiße Stellen sich darin finden. Putzig.

In Deutschland gibt es eine Behörde, die gesetzlich für die Spionageabwehr zuständig ist: das Bundesamt für Verfassungsschutz. Das wiederum fällt in den Zuständigkeitsbereich von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Der CSU-Mann gehörte zu denen, die den Skandal am vehementesten kleinredeten.

Der Handygate-Skandal blamiert Pofalla, den Innenminister und die Sicherheitsbehörden. Es lässt ihren Umgang mit der NSA-Affäre blauäugig erscheinen – und wirft neue Fragen auf: Erfuhren die deutschen Behörden wirklich erst durch Spiegel-Recherchen von der mutmaßlichen Abschöpfung des Kanzlerinnen-Handys? Was taugt die deutsche Spionageabwehr, wenn sie ohne die Hilfe von Journalisten außerstande ist, die Sicherheit von Merkels Mobiltelefon glaubwürdig zu bewerten? Und: Was soll ein Antispionageabkommen mit einem Bündnispartner, der sich offenbar an derlei Abmachungen sowieso nicht hält?

Ihr sei nicht bekannt, dass sie abgehört worden sei, versicherte die Kanzlerin noch im Juli auf die Frage nach der Sicherheit ihrer Telekommunikation. Ein aus heutiger Sicht bemerkenswerter Satz.