KOMMENTAR: KRISTIANA LUDWIG ÜBER KRITISCHE KALENDERSPRÜCHE : Platt wie Stullen
Politische Bildung, Erinnerung an Studentenproteste und Geschichtsaufarbeitung – gute Ideen für einen kleinen Kalender. Vor allem, wenn er von Studenten gemacht wird, mit knackigen Sätzen und kritischen Zitaten. Doch den FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann hier einen Antisemiten zu nennen, der aus dem Flugzeug fiel, ist nicht schmissig. Sondern reine Provokation.
Über den Tod von unliebsamen Persönlichkeiten zu lachen, ist der Versuch, ein Tabu zu brechen. Doch getroffen werden von diesen geschmacklosen Witzen höchstens die Angehörigen. Studenten wird so ein Tonfall nicht aufrütteln. Häme wirkt nicht. Sie schreckt ab.
Studierendenvertreter, die sich selbst als explizit antifaschistisch begreifen, sollten sich über die Form ihrer Aufklärungsarbeit mehr Gedanken machen. Ein „Bulle“ erschoss in den 60er Jahren den Studenten Benno Ohnesorg, steht im Asta-Kalender – der kecke Spruch schockt 50 Jahre später wirklich niemanden mehr. Dass Jörg Haider verunglückte, „weil er zu weit rechtsaußen fuhr“, ebenfalls nicht. Das erzeugt nur Stirnrunzeln über den platten Gag.
Dabei gäbe es genug Ereignisse, die in der jüngeren Geschichte einen kritischen Eintrag wert wären. So wie der Eintrag für den 22. August. Dort stehen die „mehrtägigen Pogrome gegen Migrant_innen in Rostock- Lichtenhagen“, bei denen „hunderte Rassist_innen mit Molotow-Cocktails und Steinen von Migrant_innen bewohnte Häuser attackieren“. Geht doch. Gern auch mit Transgender-Lücke.