KOMA-PATIENTIN SCHIAVO: LEHREN FÜR DIE PATIENTENVERFÜGUNG : Es gibt keine Lebenspflicht
Der Streit um das Leben der amerikanischen Wachkoma-Patientin Terri Schiavo macht deutlich, wie dringend eine gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen auch in Deutschland ist. Und er gibt auch die Richtung vor: Der Wille des Patienten muss erstens schriftlich festgelegt werden und sollte zweitens auch für den Fall eines Wachkomas gelten.
Zunächst geht es in den USA vor allem um ein Beweisproblem. Hat Terri Schiavo früher geäußert, dass sie auf keinen Fall jahrelang im Wachkoma künstlich am Leben gehalten werden will? Hätte sie eine schriftliche Patientenverfügung hinterlassen oder wenigstens einen Bevollmächtigten für medizinische Entscheidungen bestimmt, könnte es den bizarren Streit nicht geben. Deshalb ist es gut, dass Justizministerin Brigitte Zypries jüngst von ihren Plänen abgerückt ist, auch mündliche Patientenverfügungen als verbindlich anzuerkennen. Bei zerstrittenen Angehörigen könnte es sonst ähnlich bizarre Rechtsstreitigkeiten auch bei uns geben.
Noch wichtiger aber sind die Lehren für den derzeit wichtigsten Streitfall um das deutsche Gesetz zu Patientenverfügungen. Zypries will, dass sie auch im Falle eines Wachkomas gelten. Hingegen lehnt dies zumindest eine Mehrheit in der Enquetekommission des Bundestages zur Medizin-Ethik ab, weil bei einem Wachkoma der Tod nicht unmittelbar bevorstehe. Letztlich geht es hier um die Frage: Muss ein Mensch gegen seinen Willen jahrelang künstlich am Leben gehalten werden, um das abstrakte Prinzip Lebensschutz zu verdeutlichen?
Die US-Debatte zeigt, wie wichtig eine Klarstellung zugunsten der Selbstbestimmung ist. Auch in der deutschen Debatte schwingt die Vorstellung der christlichen Rechten mit, die an ein gottgegebenes und der menschlichen Entscheidung entzogenes Leben glaubt. Eine aufgeklärte Politik muss sich jedoch am selbstverantwortlichen Menschen orientieren und darf der Bevölkerung nicht religiös bestimmte Lebenspflichten aufzwängen.
CHRISTIAN RATH