KLOPAPIER IN LIMITED EDITION! WELCH EIN AUFTAKT! : Die paar Gehirnzellen
VON JENNI ZYLKA
Ein Wochenende, das mit der Entdeckung eines neuen Hygienequalitätsprodukts startet, kann de facto kaum in die Hose gehen. Die Spaßvögel einer Klopapiermarke haben doch eine Limited Edition im „Ghettoblasterdesign“ herausgebracht, die tatsächlich an das Ding erinnert, das LL Cool J auf seinen breiten Schultern ruhen lässt, bevor er losrappt. Anstatt wie üblich mit den nötigen Drogerieeinkäufen nach Hause zu schleichen und zu hoffen, dass man niemanden Cooles trifft, federte ich am Freitag demzufolge auf weißen Sneakers durch die Hood, schlenkerte rhythmisch mit der Ghettoblasterklopapiertüte und beatboxte, bis die Lippen kribbelten. Welch ein Auftakt! Bei der abendlichen Geburtstagssause im Weinladen hätte ich fast als Zugabe noch einen Breakdance-Headspin hingelegt, weil ich zu später Stunde etwas unglücklich vom Barhocker rutschte. Ist aber nix passiert, keine Sorge. Die paar Gehirnzellen brauchte kein Mensch mehr, sind noch genügend mit dummem Zeug gefüllte andere da, oder um mit der großen Dichterin Skeeter Davis zu sprechen: I forgot more than you’ll ever learn, Kleines.
Samstag dann ein weiterer absoluter Höhepunkt: The Franklys aus London im Bassy, wer hätte denn gedacht, wie grandios die sind? Frauenbands, die sich tatsächlich anspielen wie sympathische Rock-Poser beim Stadiongig, aus reiner Freude am gemeinsam produzierten Garagensound, erlebt man selten. Auch zwei Gitarren sind in rein weiblichen Bands rar – wieso? Keine Ahnung. Die Bangles hatten zwar ebenfalls Lead und Rhythmus, doch um noch mehr große, in sexueller Konnotation geschulte Dichterinnen zu zitieren, die gleichnamige eierlose Gruppe aus Birmingham: „We’ve got a Fuzzbox and we’re gonna use it!“ Was heißen soll, dass der Franklys-Sound geiler, fuzziger und dreckiger war, eher Bikini Kill oder Pandoras, als Susanna Hoffs viel zu schnuckeliger Augenaufschlag in „Manic Monday“.
Sonntag wehte zu viel Wind für den Ballon in der Nähe des Checkpoint Charlie, dem komischerweise noch niemand ein Schild mit „Je suis“ vor den Namen gehängt hat. Ich werde es wohl selbst tun müssen, bevor ich bei der nächsten Windstille mit den Touris aufsteige. Glücklicherweise hatten die beiden langen Nächte aber ganz gut den Rhythmus umgestellt, denn schließlich war Oscar-Nacht, und wenn man das Schwein hat, ein paar Tagediebe zu finden, die mit einem die Nacht durchmachen und die verzweifelten Hinweise auf die Schulzeiten der Kinder ignorieren, dann macht die Show gleich noch mehr Spaß. Vor allem weil „Ida“ den Preis für „Best Foreign Film“ gewann: Na zdrowie und herzlichen Glückwunsch! Dass danach Lady Gaga ernst wie eine Klosterschülerin ein Konglomerat aus „My favourite things“ und anderen Megamusicalklassikern sang, war allerdings etwas verwunderlich. Aber manchmal ist Ironie so oft gebrochen, dass man gar nicht mehr versteht, was ursprünglich mal lustig, was peinlich und was pathetisch sein sollte. Vielleicht ist Gaga sich dahingehend ja auch nicht mehr so ganz sicher. Die schweren Lider fielen angesichts der schweren Lieder jedenfalls langsam zu, draußen gingen die anderen zur Arbeit, und wir sagten um 6 Uhr endlich gute Nacht, wie es einst Tony Marshall in „Heute hau’n wir auf die Pauke“ formulierte. Der übrigens, bin nicht sicher, ob das Herrschaftswissen oder das Gegenteil ist, ein paar Jahre später einen weiteren Kracher namens „Wir trinken Brüderschaft mit der ganzen Stadt“ verzapfte. Erste Zeile: „Heut hat der Tag im Kalender / rote Ränder“. Haben meine Augen auch.