KLASSENFAHRT (2) : In Deutschland
Hinter Frau Merkels Anwesen versackt kreischrot die Sonne im märkischen Sand, und auf den Treppen des Reichstags zieht es. Wir frösteln in der langen Schlange, die die Möchtegernbesucher der Reichstagskuppel bilden. Anstehen ist ja Teil dieser touristischen Attraktion.
Es ist inzwischen 21.15 Uhr. Ganz vorne unter dem hohen Portal mit dem bekannten Schriftzug „Dem Deutschen Volke“ steht eine Gruppe erwachsener Niederländer und stimmt ein Volkslied an. Singend ziehen sie in den Reichstag ein, als die Glastür zum Security Check sich für sie öffnet. Der Gesang sorgt für erhebliche Heiterkeit unter den Wartenden.
Es ist eine illustre Gesellschaft. Mehrere Sprachen sind zu hören, viele Menschen in der Warteschleife sind jung. Mitten im Pulk ist es deutlich wärmer als an den Rändern. Das checken auch die jungen Prinzessinnen in ihren dünnen Hemdchen und kurzen Jäckchen, die ihre Reize austesten.
Das Management der Warteschlange erfolgt durch ein Schild. Eine niederländische Schülergruppe hat sich bis kurz vor das Schild vorgearbeitet, auf dem in drei Sprachen vermeldet wird, vom Standort aus sei es noch eine halbe Stunde Wartezeit. Jetzt ist es 21.30 Uhr. Bis Mitternacht ist die Kuppel geöffnet, bis 22 Uhr ist Einlass, und wir sind in Deutschland.
Um 21.55 Uhr geht die Glastür auf. Die Menschen vor uns sind drin. Die beiden Mitarbeiter des Reichstags legen wieder wortlos direkt vor uns – und wir meint jetzt eine Minigruppe – die schwarz-rot-goldene Kordel auf die mobilen Absperrständer. Sie warten. Wir warten. Punkt 22 Uhr räumen die Mitarbeiter des Reichstags wortlos die mobile Absperrung weg. Wir stehen vor verschlossener Tür. Die niederländischen Schüler können es nicht fassen. Jemanden kommentarlos anstehen lassen und dann einfach schließen.
GUNDA SCHWANTJE