KATALONIEN: DIE AUTONOMIE-POLITIKER WOLLEN KRITIKER ABSCHALTEN : Einfach am Knopf drehen
Die Pressefreiheit ist eines der wichtigsten Merkmale eines demokratischen Rechtsstaates. So banal diese Feststellung ist – die Regierung in Katalonien scheint dies vergessen zu haben. In ihrem Eifer, gegen den spanischen Zentralstaat ein neues Autonomiestatut mit weiteren Rechten für die Region rund um Barcelona durchzusetzen, fühlen sich die Politiker von kritischen Stimmen gestört. Am lautesten ist dabei der Sender der spanischen Bischofskonferenz.
Sicher schlägt die Radiostation dabei hin und wieder über die Stränge. Doch welcher spanische Sender tut das nicht? Stundenlange „Tertulias“ werden auch von anderen veranstaltet, jene Diskussionsrunden, in denen selbst ernannte Spezialisten über alles und jeden ihre Meinung und ihr Halbwissen zum Besten geben. Und keiner geht dabei zimperlich mit dem jeweiligen politischen Gegner um. Schließlich sind Meinung und Information seit dem Tod von Diktator Francisco Franco frei. So steht es in der spanischen Verfassung von 1978.
Deshalb müssen sich Politiker – wie überall sonst in Europa auch – Vorwürfe bei umstrittenen Projekten gefallen lassen. Das muss erst recht gelten, wenn es um die katalanischen Privilegien geht. Denn den einen gilt das neue Autonomiestatut als Instrument für mehr Entscheidungsfreiheit vor Ort, während die anderen darin eine Gefahr für den staatlichen und sozialen Zusammenhalt Spaniens sehen.
Beide Ansichten sind legitim – die Debattenkultur macht einen der Unterschiede zwischen Demokratie und autoritären oder gar diktatorischen Regimen aus. Sollte die Grenze von der Kritik zur Verleumdung überschritten werden, ist es an den Richtern, dies festzustellen und gegebenenfalls zu ahnden. Diese Aufgabe darf nie und nimmer einer Institution zufallen, die vom Parlament beschickt wird und in der die Regierungsparteien die Mehrheit haben. Wem ein Radiosender nicht gefällt, der braucht dank Pressefreiheit nur am Knopf zu drehen, um ein anderes Programm einzustellen. Noch. REINER WANDLER