: „Jeder in Israel hat die freie Wahl dort zu wohnen, wo er will“
Israels Präsident Schamir erteilt Gorbatschows Forderung nach Nichtansiedlung von Neueinwanderern in besetzten Gebieten Abfuhr / Schamir will rechte Minderheitsregierung bilden ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Israels amtierender, rechtskonservativer Ministerpräsident Izchak Schamir hat am Montag Behauptungen energisch zurückgewiesen, wonach die Jerusalemer Regierung keine jüdischen Einwanderer aus der Sowjetunion mehr in den israelisch besetzten Gebieten ansiedeln will. „Jeder in Israel hat die freie Wahl dort zu wohnen, wo er will“, erklärte Schamir. „Wir hegen keinesfalls die Absicht, Neueinwanderern mit dirigistischen Maßnahmen zu begegnen und jüdische Gettos einzuführen.“ Damit erteilte Schamir den Forderungen Gorbatschows, der in Washington für eine israelische Garantie plädierte, die NeubürgerInnen nicht in den besetzten Gebieten anzusiedeln, eine klare Abfuhr.
Obwohl in Jerusalem trotz der Schamir-Erklärung niemand ernsthaft an eine Auswanderungsbeschränkung durch die sowjetischen Behörden glaubt, versuchte der israelische Außenminister Arens den Kreml-Chef zu beruhigen. Israel, so betonte Arens, verfolge keineswegs eine Politik, die sowjetische Einwanderer bevorzugt in den besetzten Gebieten ansiedle.
Eine deutliche Warnung an die Adresse von Gorbatschow richteten indes einflußreiche Mitglieder des US-Kongresses. Die Abgeordneten um Mel Levine meinten, eine sowjetische Auswanderungsbeschränkung könnte durchaus die bilateralen Wirtschafts- und Handelsabkommen mit den USA gefährden. Erst jüngst hatte Gorbatschow in einer Botschaft an die Teilnehmer des arabischen Gipfels in Bagdad die Ansiedlung von NeubürgerInnen in den besetzten Gebieten der Westbank, des Gaza-Streifens und Ost-Jerusalems verurteilt.
Derweil kündigte Schamir am Montag an, er werde Anfang kommender Woche dem israelischen Parlament eine neue, rechtsgerichtete Minderheitsregierung vorstellen. Dafür will Schamir, der gegenwärtig nur als Interimspräsident ohne Mehrheit regiert, bereits mindestens 61 der 120 Parlamentsmitglieder gewonnen haben.
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