JUNGE UND MÄDCHEN : Plopp, plopp, plopp
Die U-Bahn ist noch nicht wach. Schaukelnd und ratternd quält sie sich durch die Tunnel in Richtung Alexanderplatz. Versunken und träge hängen Erwachsene auf dem Weg zur Arbeit in den Sitzen und Halteschlaufen, nur ein kleiner Junge ist quietschfidel und kommentiert von Papas Schoß aus alles, was passiert: „Guck, ein anderer Zug“, ruft er begeistert. Niemand reagiert. Er versucht es noch mal: „Hier dürfen ja Hunde rein!“ Der Papa brummelt eine Antwort, die den Sohn nicht zufriedenstellt. Niemand unterhält sich mit ihm, nicht mal der Schäferhund, der in der Lichtschranke steht.
Ersatzweise fängt der kleine Junge an, ploppende Geräusche zu machen. Lippen nach innen stülpen, Spannung aufbauen und dann mit Schwung nach außen drücken. Plopp, plopp. Plopp. Der Papa macht einen halbherzigen Versuch, den Sohn vom Ploppen abzuhalten. Kein Erfolg. Plopp, plopp.
Einige Sitze weiter lugt ein kleines Mädchen heimlich hinter dem Anorak ihrer Mutter hervor und schaut dem Gleichaltrigen interessiert zu. Gerade, als der gelangweilt seine Beschäftigung aufgibt, hat sie den Dreh raus: Plopp, plopp. Plopp. Der kleine Junge schaut sich irritiert um und guckt mit großen Augen seinen Papa an. Der zuckt nur mit den Schultern, woraufhin der Junge auch wieder anfängt.
Plopp, plopp plopp, Plopp, plopp plopp, im Chor. Die Schwerkraft der Müdigkeit im Abteil erlaubt nicht einmal ein genervtes Stirnrunzeln. Plopp, plopp plopp. Eine Frau ertappt ihre Schuhspitze dabei, wie sie den Rhythmus mittanzt. Als sie aussteigen will, rempeln sie zwei ungeduldig hineindrängelnde Damen an. Sie entschuldigt sich höflich bei ihnen und verlässt lächelnd den Zug. Die beiden schauen sich irritiert an: „Ist keine Berlinerin, ne?“ Dann versinkt der Wagen in Stille. Nur einmal noch klingt es leise aus dem Jackenzipfel: plopp, plopp.
TABEA KÖBLER