JULIA SCHMID, KüNSTLERIN : Die Dokumentierende
■ 41, war 2002 Jahresstipendiatin des Landes Niedersachsen und wird zu Atelieraufenthalten nach Helsinki und Madrid reisen.
Tiere zu töten, um sie zu malen? „So weit geht der Fanatismus nicht“, sagt Julia Schmid. „Und wenn da eine eilige Spinne ist, muss ich mich eben beeilen beim Porträtieren.“ Denn als Porträtistin im weitesten Sinne kann man sie schon bezeichnen, die bei Bonn aufgewachsene Künstlerin, die inzwischen in Hannover lebt und jetzt den Bonner Kunstpreis bekam.
Tiere und Pflanzen malt sie, kleine nur, akribisch und ohne sie aufzuspießen, wie es lange die einschlägigen Wissenschaftler taten. Schmid dagegen legt sie auf Leuchttische. Sie will durch sie hindurchschauen, ihr feines Geäder sehen, „jene vitale Energie, die untergründig fließt“.
Aber Schmid interessiert sich nicht nur für botanische Strukturen, sondern auch für urbane. Sehr bewusst sucht sie Straßenzüge, Plätze, Räume aus – darunter ihr eigenes Atelier –, deren Flora und Fauna sie zeichnet oder malt. Zum Schluss vereint sie Gepflanz und Getier zu fast abstrakten Kompositionen. „Sammlerbilder“ nennt sie die, oder Kartierungen: Auch geographische Details sind ihr wichtig, fast immer hängt eine Karte oder ein Foto des Fundortes daneben, wenn sie ihre Bilder zeigt.
Denn es bedeutet ihr etwas, dass sie diese Muster nicht erdacht, sondern vorgefunden hat. „Das hilft, mir Orte anzueignen, an denen ich mich länger aufhalten darf“, sagt Schmid. Ihr Heimatdorf bei Bonn war das, Braunschweig und Hannover danach, beim Studium. Später war sie als Stipendiatin in Italien und den USA.
Ein bisschen ist sie während dieser Wanderjahre auch ins Soziologische geglitten: Zäune hat sie fotografiert, mit denen New Yorker ihre mühsam erkämpften Beete schützen. Dann wieder, um Braunschweig herum, Straßenschilder, die auf lokale Sehenswürdigkeiten verweisen. „Das ist schon eigenartig, wenn mitten in karger Landschaft Schilder mit der Freiheitsstatue für den Heidepark Soltau werben“, sagt sie. „Es kommt mir vor, als fühle sich diese Gegend falsch dargestellt und wolle das korrigieren.“
Merkwürdig findet sie das, manchmal auch lustig. Aber: „Meine Arbeit ist kein politisches Postulat“, sagt Julia Schmid. „Ich beobachte nur.“ PS