piwik no script img

Archiv-Artikel

JOSEF WINKLER über ZEITSCHLEIFE Trauerspiel mit der aben Hand

Der Rechten keine Chance! Diese Kolumne wurde mit links geschrieben – und das war gar nicht mal so einfach

<<DEMONSTRATIONSMODUS EIN>> Wenn Sei den Eidruck haben, dass dieser Tzext irgendwei holprig gesetzt ist, mag das daran luegen, dass ich momuntsn nur eine Hand zum <tippen habr und ads ist leider auch npch die linke. Sie machen sivch untr Ujmständen keine Vorstellung dabon, wie eibnen das einsdchränkt, wenn man als Rechtshände auf einmal keiner rechte Hand meht zur Verfügng hat. Und ich bin ja starker Recztshänder, muss ich sabgen. <<DEMONSTRATIONSMODUS AUS>>

Sie müssen entschuldigen, ich bin auch deswegen grad nicht ganz bei mir, weil eben Wolf Biermann im Fernsehen war und der ist so sensationell ungebremst eitel, dass mir immer ganz breiig wird ums Hirn. Aber schlimmer ist schon die abe Hand. Gut, sie ist ja nicht ab, gottlob, aber doch gänzlich außer Gefecht, seit ich sie letzte Woche im Zuge eines Haushaltsunfalls durch eine Glasscheibe schlug. Nachdem die Stationsärztin in der Ambulanz in das Loch hineingeschaut hatte, ist sie zum Telefon gegangen und hat den Chefarzt aus dem Bett geholt zur Mitternacht, und nachdem der in das Loch hineingeschaut hatte, hat er gesagt, dass er jetzt erst einmal „den Schnitt S-förmig erweitern“ wird. Und dann hat er eine Knochennaht gemacht, Grundgütiger! Nicht, dass ich zugeschaut hätte, mir wird ja beim Hinschreiben schon wieder ganz blümerant.

Stochernd und ruckelnd in dem Verhau aus Strängen und Lappen, als den ich das Innere meines anästhesierten Handrückens imaginierte, fragte er, jovial, aber doch in einem Ton, als sei das alles schon da gewesen, er müsse ja wohl keine Angst haben, dass ihm „da noch irgendwo ein Schneidezahn entgegen“-komme? Das muss man sich mal bildlich vorstellen.

Ich weiß gar nicht, ob es so etwas noch gibt, weil die, äh, Kids ja heute ihr erstes Computer-Keyboard bedienen, bevor sie eine Gabel halten können. Ich jedenfalls habe seinerzeit, in der siebten Klasse, noch einen Schreibmaschinenkurs belegt. In dem stumpfen Drill erwarb ich die Grundlagen für kung-fu-esk flinke Zehn-Finger-Skills, auf die ich kindlich stolz bin – und die sich jetzt gegen mich wenden. Ich stelle mir vor, wie dieser Text in die Tastatur flöge, wäre ich einer dieser Drei-Finger-Suchsystem-Prekären, die mich jetzt alle überholen. Ich habe hier einen Textoutput per Minute wie ein Schreibstuben-Mönch.

Freilich könnte ich es mir leicht machen und mich allein auf das angestammte Tastaturterrain meiner Linken stützen. Da käme dann eine haarsträubende Story heraus wie diese: „Das Gatter ratterte. Der Graf erstarrte, fragte: Wer war das? Das Gefrett? War das der Vater? Fred, der Waerter, sagte: Wartet, es war Gevatter Ratte. Verderbte fette Ratte!, sagte der Graf, Gevatter Ratte aber, starr: Der Vertrag, garstger Graf! Der Vertrag besagte, dass das, was der Graf ass, der Wasserratte Frass war. Gegartes? Der Graf verwarf das, fragte: Gras? Gevatter Ratte sagte ya! Der Rest: Desasterarea. Yaa, es war das extracrasse Gras, das stets ass der taffe Graf.“ Also wirklich. Und sogar für so einen Käse muss man mit den Satzzeichen schummeln.

Ein Trauerspiel. Aber ich gebe mir jetzt eben Mühe, mein Handicap als Chance zu begreifen. Man muss ja alles immer „auch als Chance begreifen“. Vielleicht wächst man ja daran, wenn man fünf Wochen lang keine Schnürsenkel binden, keine Zwiebel schneiden und kein lustiges Männchen malen kann. Vielleicht reife ich zu einer brauchbaren Einhand-Tippkraft heran und kann meine wiedererstarkte Rechte künftig exklusiv dem Lustige-Männchen-Malen widmen? Das wäre mal eine wiedererstarkte Rechte, die einem keine Sorgen machen müsste.

Eine Chance habe ich jedenfalls schon verstreichen lassen: In jener Nacht in der Ambulanz hatte ich die Gelegenheit, den Klavierspieler-Witzklassiker in der Realität anzuwenden. Von wegen: „Herr Doktor! Werde ich mit der Hand später Klavier spielen können?“ Arzt: „Aber ja, keine Sorge.“ Ich: „Sehr gut, das konnte ich nämlich noch gar nicht.“ Aber ich war irgendwie nicht in der Stimmung. Oder hatte Angst vor der Antwort.

Fragen zur Knochennaht? kolumne@taz.de Morgen: Arno Frank über GESCHÖPFE