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Archiv-Artikel

JOHN KERRY: AUCH LÜCKENBÜSSER KÖNNEN STARKE PRÄSIDENTEN WERDEN Bush-Kritiker spielen über die Bande

Das ist schon eine Wählerinitiative der besonderen Art, die gestern – wie seit Tagen angekündigt – in Washington zur Abwahl der Bush-Regierung aufrief. Exmilitärs und US-Diplomaten recht unterschiedlicher politischer Couleur formulieren ihr Unbehagen über den Kurs der Regierung und über die Isolation, in der sich die Vereinigten Staaten befinden. Sie fordern einen Schwenk in der US-Außenpolitik. Allein das Zustandekommen solcher Allianzen zeigt, wie sehr die Außenpolitik unter der Ägide der neokonservativen Berater und Richard Perle und Paul Wolfowitz aus dem Mainstream heraus nach rechts gerutscht ist, weg von einer pragmatischen, in der Realität verankerten Politik, hin zu einer hoch ideologischen, missionarischen Position.

Die Aktion der 27 Aufrufer ist genau geplant. Mit Bedacht ist darauf geachtet worden, dass sich keiner der „üblichen Verdächtigen“ unter den Erstunterzeichnern findet und niemand, der bekanntermaßen dem Wahlkampf des demokratischen Kandidaten John Kerry nahe steht. Der Aufruf soll patriotische Sorge ausstrahlen, nicht parteipolitisches Kalkül. Deshalb wirbt er auch nicht für John Kerry, sondern agitiert gegen George W. Bush.

Damit freilich spiegelt und unterstützt der Aufruf genau jene Stimmung, die Kerry, wenn überhaupt, ins Weiße Haus bringen dürfte: Die Ablehnung des derzeitigen Amtsinhabers ist bisher noch sehr viel gewichtiger als die Zustimmung zu seinem Konkurrenten. Das übrigens galt 1980 auch für den Wahlkampf eines anderen Herausforderers: Ronald Reagan. Auch damals waren sich die Kommentatoren relativ einig, dass er die Wahl vor allem deshalb gewann, weil eine Mehrheit den Amtsinhaber Jimmy Carter loswerden wollte. Die Gedenkveranstaltungen der letzten Wochen – auch wenn sie den Eindruck erweckten, nicht Reagan, sondern der Rest der Welt habe unter Alzheimer gelitten – zeigen doch, dass auch ein solcher Start starke Präsidenten hervorbringen kann. Das kann Mut machen zu einem Zeitpunkt, da die Performance des Herausforderers noch Stirnrunzeln auslöst. BERND PICKERT