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Archiv-Artikel

JOBS WEG, GEWINNE RAUF – BEIDES ZUSAMMEN GEHE NICHT, IRRT SCHRÖDER Flehen statt kämpfen

Der Kanzler irritiert, denn er scheint seine Rolle zu verwechseln. Gerhard Schröder benimmt sich nicht mehr wie der Chef der deutschen Exekutive, sondern agiert wie ein Priester oder ein zweiter Bundespräsident. Statt politisch zu handeln, hat er den moralischen Appell entdeckt. Die Bosse sollen endlich Jobs schaffen!, forderte Schröder am Wochenende und ließ erkennen, wie beleidigt er ist. Da hat er die Unternehmenssteuern gesenkt – und die Firmen wandern ins Ausland ab, obwohl sie satte Gewinnzuwächse melden können.

Allzu offensichtlich poliert Schröder an seinem Image. Er will nicht mehr als reiner Genosse der Bosse gelten. Schließlich begreift sich die SPD noch immer als Volkspartei, und demnächst stehen Wahlen an. Doch so klar die taktische Absicht ist – sie hat ihr Ziel komplett verfehlt. Schröder hat sich selbst und seine Partei degradiert. Er wollte den Bossen drohen und hat doch nur gefleht. Nach 150 Jahren Arbeiterbewegung markiert dies einen Schlusspunkt: Früher wurden Zugeständnisse gegen die Unternehmer erkämpft, jetzt sollen sie erbettelt werden.

Die Erfolge dieser neuen Bittstellerpolitik dürften gering sein. Die Unternehmen werden es sich nicht nehmen lassen, ihren Gewinn zu maximieren. Das ist ihre betriebswirtschaftliche Rolle in der Marktwirtschaft. Für die volkswirtschaftliche Gesamtsteuerung sind sie nicht zuständig – dafür gibt es ja einen gewählten Kanzler. Pech, wenn er seine Rolle missversteht und sich aufs Priesteramt verlegt.

Schröder will Sachpolitik durch gefühlte Politik ersetzen. Das zeigt sich auch bei der Analyse, die seiner Moraloffensive zugrunde liegt. Der Kanzler scheint zu meinen, dass sich das Problem der Arbeitslosigkeit erledigen würde, wenn nur deutsche Unternehmen nicht in der Fremde investierten. Dabei ignoriert er, dass Ausländer sich hier sogar noch stärker engagieren. Zudem führt Deutschland ständig mehr aus, als es einführt – wir importieren also Arbeitsplätze. Nein, die Globalisierung ist kein Problem für den Exportweltmeister. Dafür hat Deutschland zwei andere: einen stagnierenden Binnenmarkt und einen moralisierenden Kanzler.ULRIKE HERRMANN