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Archiv-Artikel

JENNI ZYLKA über PEST & CHOLERA Mein Freund, der smarte Siebener-Typ

Numerologen sind viel gefährlicher als Ufo-Gläubige. Still und heimlich durchsetzen sie die Gesellschaft …

Mist, verdammter. Einmal nicht aufgepasst und schon wieder eine Ufo-Sichtung verpennt. Vor kurzem sind nämlich ein paar Untertassen über Russland gesehen worden, das habe ich in den Nachrichten gehört, und anstatt direkt sämtliche Schmutzblättchen vom Tage zu kaufen, um diese Meldung zu verfolgen, habe ich die Information irgendwo in die Area 51 meines Gehirns verschoben. Jetzt ist es wieder mal zu spät: Weder das Internet noch sämtliche mir zugängliche Pressearchive wollen etwas von der Ost-Ufo-Sichtung ausspucken. Ich habe vorsichtshalber auch gleich noch „Wodkarausch“ und „Massenhalluzination“ gegoogelt, aber die Meldung ist wie vom Erdboden verschluckt.

Wie soll ein interessierter Mensch denn über die wichtigen Dinge im Leben informiert bleiben, wenn die Korinthenkacker von den Nachrichtenredaktionen so harte Auswahlkriterien geltend machen? Und alles nur, weil Ufos-Sichten einen schlechten Ruf hat. Ufo-Sichter werden in der Öffentlichkeit meist als zauselige, ältliche Männer wahrgenommen, die noch bei ihrer Mutter wohnen und neben ihrem Beruf als Systemtechniker ihr Untertassen-Hobby betreiben. Oder als jenseitige Sektenmitglieder, die neben dem Ufo-Zeug auch noch an Klonbabys und das Ende der Welt glauben, das uns am 20. 6. 2006 erwartet, aus rein numerologischen Gründen.

Dabei haben Numerologen bei mir persönlich einen weitaus schlechteren Ruf als Ufo-Gläubige. Sie sind, das befürchte ich, fast genauso verbreitet, fallen aber weniger auf, weil die so genannte Zahlenmagie das tägliche Leben bereits viel weiter durchdrungen hat, als man annehmen würde. In einigen Frauenzeitungen werden – anstatt Horoskopen – Liebes- und Erfolgsvorhersagen getroffen, die sich auf Rechnungen mit den Geburtsdaten oder der Buchstabenanzahl des Namens stützen. Und ein alter orthodoxer Atheistenfreund erzählte mir neulich eine Geschichte, die mich schaudern machte: Sein Geschäftspartner beschäftige sich seit einiger Zeit mit der Numerologie und fertige seitdem andauernd ungefragt hanebüchene Zahlenhoroskope von seinen Mitarbeitern an. Er selber zum Beispiel, so erklärte mein Freund, sei laut dem numerologischen Befund seines Geschäftspartners eindeutig ein Siebener-Typ, mit all den Charaktermerkmalen, die diesem Typus zu Eigen seien, Ehrgeiz, ein Hang zum Tüfteln und so weiter. Das, was der Löwe unter den Sternzeichen ist.

Mein Freund habe jedoch neulich, als er verzweifelt eine Beschäftigung suchte, um sich vom Arbeiten abzuhalten, mal spaßeshalber die Rechnung seines Geschäftspartners nachgeprüft. Und siehe da, der Numerologe hatte sich verrechnet: Mein Freund ist gar kein Siebener. Sondern ein Neuner! Die Neuner sind allerdings das absolute Gegenteil von den Siebenern, faul, ungenau, unsympathisch. Quasi der Stier unter den Nummernzeichen. Wer hätte das gedacht. Noch gruseliger ist allerdings, dass der Geschäftspartner meines Freundes sich in seiner Freizeit mit anderen Numerologen trifft, um zu Penny-McLean-Vorlesungen zu gehen. Penny McLean war früher ein sympathischer Schlagerstar und hat Dinge wie „Ich sitz zwischen zwei Stühlen mit meinen Gefühlen“ auf die Melodie von „If you can’t give me love“ von Suzie Quatro gereimt. Da war die Welt ja auch noch in Ordnung. Aber heutzutage schreibt sie Bücher darüber, wie die Hausnummern und Schuhgrößen mit der Persönlichkeit zusammenhängen. Huach. Da ist einem ein Lebensabend als König von Mallorca für einen Ex-Schlagerstar fast noch lieber.

So leicht sind dagegen die extrem sympathischen Ufo-Gläubigen übrigens auch nicht mehr dranzukriegen: Als dieses Jahr an Silvester ungewöhnlich viele Ufo-Sichtungen beim „Ufophone“ in Mannheim eingingen, fand man ganz schnell heraus, dass das an einer besonderen Art von Party-Ballons von einer Firma aus dem fränkischen Bad Staffelstein lag, nicht an echten außerirdischen Besuchern. Wieso sollten die auch ausgerechnet Silvester kommen? Der 20. 6. 2006 böte sich doch viel eher an.

Fragen zur Zahlenmagie? kolumne@taz.de Morgen: Bettina Gaus über FERNSEHEN