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Archiv-Artikel

JEAN PETERS POLITIK VON UNTEN Grün gefärbte Ausdruckstänze

Beim Klimagipfel lenken Staatschefs von der nahenden Welt-Implosion ab. Sie sollten lieber pubertieren

Warum ist diese Zeit zwischen 12 und 16 diejenige in meinem Leben, von der ich eher ungern erzähle? Ich fühlte mich als Held, als ich besoffen in Unterhose um den Block lief, als ich platte Revolutionsparolen nachplapperte und unästhetische Frisuren trug. Und doch: Eine radikal ausgelebte Pubertät ist wichtig, um die Balance zwischen extremer Ablehnung und der disziplinierten Übernahme vorgelebter Werte zu finden. Denn was passiert sonst in dieser Phase, abgesehen von neurotischer Ambivalenz und Gewittermusik?

Wir stellen alles radikal in Frage und suchen nach kreativen Antworten – selbst wenn das oft zu etwas merkwürdigen Erscheinungen führt. Wir stückeln uns eine eigene Persönlichkeit zusammen. Ja, ich würde gar trommelwirbeln: Wir ebnen unseren Weg zu einem emanzipierten Leben! Bevor dann die meisten unter uns so oft scheitern, dass sie zurück in alte Traditionen verfallen. Doch zumindest klopfen wir ab, was brauchbar bleibt und was wir verwerfen wollen. Wir bekommen eine Ahnung.

Für eine gesunde Pubertät brauchen wir ordentliche Feinde: Feinde mit Macht. Am naheliegendsten sind Eltern und LehrerInnen, gelegentlich auch Polizei und Staat.

Seit wir täglich mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert werden, bieten sich die Mächtigen in neuen Feindesrollen an. Wir fühlen uns immer globaler bedroht: Wenn die Welt untergeht, gehen wir alle gemeinsam unter, der globale Norden Hand in Hand mit Menschen des globalen Südens.

So stehe ich also da, als völlig durchglobalisierter Weltbürger und schaue auf den Klimagipfel in Kopenhagen, von dem alle sagen, dass sich da jetzt mal so richtig was entscheidet. Der US-Präsident und die deutsche Kanzlerin werden vielleicht gemeinsam den Green New Deal tanzen, womöglich zu Weltrettungsmelodien von U2. Aber ändert das was, selbst wenn sie so tun, als hätten sie sich beim Klima-Ausdruckstanz auf irgendwas geeinigt?

Die Leute, die wirklich etwas bewegen, tanzen auf Kopenhagens Straßen. Sie wirken in den Medien wie ein einförmiger, bunter Demo-Mob, aus dem ein paar Greenpeace-Figuren hervorstechen. Was bei solchen Bildern keiner kapiert: Viele der Demonstranten leben in CO2-neutralen Kommunen und sparen ohne Show-Einlagen Energie. Die haben sich irgendwann eine anständige Pubertät gegönnt und Klimawerte entwickelt. So eine ganzheitliche Pubertät müssten sich auch die Vortänzer des Kopenhagen-Gipfels verordnen, um mal grundsätzlich über Grünes nachzudenken. Viele tun das genauso wenig wie die Tausenden Vorstandsvorsitzenden der Global Player.

Aber meine Pubertät soll mir helfen, eins zu verstehen: Diese Feinde haben sich nicht verschworen, es ist Quatsch, sie an den nächsten Baum hängen zu wollen. Sie sind wahrscheinlich übergangslos erwachsen geworden und haben radikales Umdenken leider nie gelernt. Sonst wüssten sie, dass dieses turbobeschleunigte Immerweiterwachsen ihre Welt bald implodieren lässt.

Es geht also darum, die grundlegenden Werte neu zu erfinden: individuelle Nutzen und Kosten entkoppeln und nach Alternativen suchen – etwa kollektive Solidarität. Fernab von grün gefärbtem Getanze. Mächtige aller Länder, pubertiert!

Der Autor ist Politikstudent, Kinderclown und Friedensaktivist Foto: Sylphide Noire