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Archiv-Artikel

JEAN PETERS POLITIK VON UNTEN Nazis gehören vervolkt

Eine Abhandlung darüber, was den Widerstand lohnt – illustriert durch drei Beispiele

Keine Sorge, das wird jetzt kein protestantischer Moraltext: dass wir immer und überall kämpfen sollen, paranoid gegen das Böse in uns und der Welt. Kein Aufruf zur Gewalt und kein Aufruf zur Selbstkasteiung. Höchstens ein bisschen.

Ich komme von der Demo gegen die Neonazis am letzten Sonntag eher verwirrt zurück, frage mich, was da eigentlich los war. Irgendwie scheinen alle zufrieden zu sein mit sich – Bullen, Nazis und GegendemonstrantInnen sind stolz auf das Erreichte. War das jetzt ’ne Geburtstagsparty oder was?!

Nix da, es ist ein Pool, in dem die ideologischen Fronten klar gegeneinander laufen – von linksradikal-blockierend über gutbürgerlich-händchenhaltend bis hin zu rechtsradikal-geschichtsrevisionistisch.

Ich habe die Argumente und historischen Hintergründe bei weitem nicht verstanden. Mit dieser Naivität will ich trotzdem auf eine Debatte zoomen, die zeigt, wie komplex es werden kann. Als die Royal Air Force Dresden bombardierte, starben viele Menschen, unabhängig davon, ob sie Nazis waren oder nicht, ob SoldatInnen oder nicht. „Die armen Deutschen“, trauern die Nazis und schieben nationalistische und rassistische Parolen hinterher. „Die Kriegsschuld lag bei den Deutschen“, höre ich oft als Gegenargument. Im Internet grunzte einer letztlich zu Recht, das sei genauso völkisches Verständnis der Geschehnisse. Stimmt. Ich war zwar nicht dabei, aber wie ich das verstanden habe, wurde ja auch damals völkisch argumentiert. Heute nicht mehr. Und da gilt es, strategisch alle Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verurteilen und uns von Nationalismen zu emanzipieren … selbst wenn Staatszugehörigkeit, strategisch sinnvoll, ein universelles Menschenrecht bleibt.

Uffta. Für mich ist heute der Punkt aber ein anderer. Während die Neonazidemo ein Feld ist, in dem jedeR öffentlich Position beziehen kann, durchziehen Rassismus und Diskriminierung unseren Alltag. Kein Chef springt wütend auf, wenn die weißen Männer bei Entscheidungen unter sich sind. Wie oft begegne ich Relativierungen, wenn ich mich über die Selbstverständlichkeit von Weißsein empöre. Wieso regiert hier ein Guido das Land, der sagt, die TunesierInnen „müssen erkennen: Sie gehören nach Tunesien“?!

Ich will, ganz entspannt und selbstverständlich, kotzen, wenn ich das Kotzen kriege. Rotzen, wenn Rassismus relativiert wird. Und, na klar – am 19. nach Dresden gehen, um dem braunen Sumpf Einhalt zu gebieten.

Der Autor ist Clown und Antifaschist Foto: S. Noire