Interview: "Reine Statistik"
Hartz-IV-Empfänger können kaum in Arbeit vermittelt werden, sagt ein Mitarbeiter eines Jobcenters in Berlin.
taz: Herr P., als Fallmanager im Jobcenter
Herr P.: Nee. Ich bin ein pAp. Fallmanager sind nur für Härtefälle zuständig.
Was ist denn ein pAp?
Ein pAp, ein persönlicher Ansprechpartner, ist für die "normalen" Hartz-IV-Kunden da. Für Menschen mit starken Vermittlungshindernissen ist der Fallmanager zuständig. Psychisch Kranke, Drogenabhängige, Obdachlose und Leute aus dem Knast.
Wie viele Leute betreuen Sie?
Ich habe etwa 400 Kunden. Davon sind 100 in Arbeit, mindestens 15 Stunden die Woche. Sie werden so schlecht bezahlt, dass sie weiter Hartz IV bekommen. Diese Kunden brauch ich nicht zu sehen. Die anderen 300 muss ich mindestens zweimal im Jahr einladen. Der Fallmanager hat nur 75 Kunden.
Was sind das für Menschen, die zu Ihnen kommen?
Mindestens zwei Drittel haben keine Ausbildung oder eine, die es heute nicht mehr gibt. Es kommen ältere Leute, viele aus dem handwerklichen Bereich, die einfach zu abgearbeitet sind und kaputte Gelenke haben.
Was machen Sie mit denen?
Ich versuche, sie für einen einfachen Job zu motivieren, Wachmann oder Produktionshelfer. Der schlechte Lohn hilft da nicht gerade weiter. Warum sollen die sich den Stress antun, wenn sie das gleiche Geld mit Hartz IV bekommen. Darum bräuchten wir eigentlich pädagogisch geschulte Mitarbeiter. Aber ein großer Teil der Arbeitsvermittler ist für die Beratung mit Menschen überhaupt nicht ausgebildet. Traurig ist auch, dass wir Unternehmen gesundschrumpfen.
Wie das?
Wir haben zum Beispiel viele Mitarbeiter, die bei der Telekom oder Vivento gearbeitet haben. Die Firmen müssen die Leute mit den unbefristeten Verträgen irgendwo unterbringen. Die arbeiten nur bei uns, weil sie aus dem öffentlichen Dienst kommen. Dafür war es prima, dass man diese Jobcenter eingeführt hat. Aber es ist gar nicht klar, ob es die Jobcenter noch lange geben wird. 2009 wird gefragt, ob wir effektiver waren als die Sozialhilfe.
Wie misst man Effektivität?
Momentan wird die Qualität unserer Arbeit danach gemessen, wie oft wir die Leute einladen, wie oft wir Weiterbildungen anbieten und wie viele Eingliederungsvereinbarungen wir abgeschlossen haben. Reine Statistik.
Wie viel Sie in Arbeit bringen, das wird nicht geprüft?
Man geht davon aus, dass es unwahrscheinlich ist, viele in Arbeit zu bringen. Unser messbarer Anteil daran ist sowieso gering. Wir müssen vor allem motivieren.
Sie gehen also persönlich auf die Leute zu?
Wenn ein Kunde kommt, frage ich tatsächlich: "Wie geht es Ihnen?", und nicht: "Wie viele Bewerbungen haben Sie geschrieben?" Aber das ist nicht die Regel.
Werden Akademiker und Ungelernte gleich behandelt?
Ja, es wird pauschalisiert. Momentan werden Kunden, die nur geringen Förderbedarf haben, wie etwa Höherqualifizierte, genauso behandelt wie Kunden mit hohem Integrationsbedarf - etwa eine 56-jährige Hausfrau, die 30 Jahre nicht gearbeitet hat. Sie hat keine Chance mehr auf dem Markt, ist aber voll erwerbsfähig nach Hartz IV.
Was heißt erwerbsfähig?
Wenn man mehr als drei Stunden täglich arbeiten kann, gilt man als erwerbsfähig. Bevor ein Amtsarzt sagt, das sei nicht der Fall, muss schon was Krasses passiert sein. Selbst Alkoholiker mit mehrfach gescheiterten Therapien und gesundheitlichen Problemen gelten als erwerbsfähig. Dabei sollten wir uns besser auf Leute konzentrieren, die Chancen haben.
INTERVIEW: KLEO
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