Innovative Geldbeschaffung in der Gastronomie : Alles Goya – oder was?
„Am Anfang stand eine Vision!“, schreiben die Gründer der Aktiengesellschaft Goya. Dabei haben sie allerdings nicht den Zeichner und Maler der napoleonischen Schandtaten in Spanien im Sinn, sondern einen „im internationalen Maßstab spektakulären Mega-Club in Berlin“. Dieser könnte also gut und gerne auch nach dem Maler der Gräuel des 30-jährigen Krieges Caillot heißen. Vor allem geht es den zukünftigen Clubbetreibern aber darum: „Wer jetzt zeichnet, wird Mitglied!“ Anders ausgedrückt: „Wer jetzt kein Club-Aktionär wird, ist nicht mehr mit dabei / Wer jetzt allein zurück bleibt, wird es lange bereuen / wird der Dividende nachtrauern, muss Eintritt zahlen und Schlange stehn / Und wird am Nollendorfplatz hin und her/ unruhig umherwandern, wohlmöglich durch Matsch und Schnee.“
Denn genau dort – in der ehemaligen Großdisco „Metropol“ in Berlin-Schöneberg – soll jetzt ein neuer „Höhepunkt für die Sinne“ entstehen: eben der „Goya-Club für Erwachsene“. Der „Stararchitekt Hans Kollhoff“ wird dafür sorgen, dass dabei „das architektonische Ambiente stimmt“. Und damit auch das soziale Ambiente flutscht, hat der im Übrigen nicht sehr vertrauensvoll aussehende Geschäftsführer – Peter Glückstein – bereits Aktien an etliche „Prominente“ ausgegeben: u. a. an den Maler Markus Lüpertz, den Filmproduzenten Atze Brauner, den TV-Star Jupp Schatz und an den Ex-Hertha-Stürmer Michael Preetz. Einige werben nun verbal weitere Aktionäre: Der Barbesitzer Charles Schumann meint, „ich bin Goya-Aktionär, weil Peter Glückstein ein cooler Hund ist“. Für den CDU-PR-Berater Axel Wallrabenstein wird mit Goya „ein Traum für kommunikative Menschen aus ganz Europa“ wahr. Für die Hotelistin Daniela Sauter (Brandenburger Hof) ist dagegen der VIP-Club in Planung jetzt schon ein „Sahnehäubchen der jungen Metropole“. Während der Gastronom Hans Peter Wodarz (Pomp Duck & Circumstance) schlicht glaubt, dass „das Projekt funktioniert“. Und der Globaltrottel Prof. Erik Spiekermann aus ganz egoistischen Gründen eine Aktie erwarb, nämlich „weil ich mich in Berlin auf gleiche Art und Weise unterhalten lassen will wie in anderen Großstädten dieser Welt auch“. Ach!
Weniger überzeugt von Goya als diese komischen Promis sind natürlich all jene – noch viel zahlreicheren – Namenlosen, die weder ein Goya-„Vollpaket“ (60 Aktien für 3.960 Euro), noch ein „Halbpaket“ (30 Aktien für 1.980 Euro) oder gar „Vorzugsaktien“ (Minimum 17 Stück zu 1.003 Euro) erwerben wollten. Ja denen schon bei dem bloßen Gedanken daran kotzübel wurde.
Aber sage keiner, dass man sich nicht um sie bemüht habe: etwa auf der Mieterparty anlässlich der Einweihung des Moabiter Bürokomplexes „Blaues Haus“ in der Lehrter Straße. Dort kreuzte plötzlich die Goya-Projektleiterin Stefanie Kuch-Steudemann mit dem Goya-Projektsteuerer Ingo Hoppe nebst einem Werbeteam auf, um den sich gerade miteinander bekannt machenden Anonymen auch noch schnell Club-Aktien anzudrehen. Diese fanden das jedoch großteils peinlich bis peinigend, einige sogar arg betrügerisch, denn „die wollten da doch bloß der einen oder anderen einsamen Sekretärin die letzten 4.000 Euros aus der Tasche ziehen“, wie ein Verleger vermutet.
2.000 Aktionäre will die Goya AG am Ende ihrer Verkaufsaktion auf diese und ähnliche Weise gekeilt haben: „Alle zusammen sollen (dann) den ultimativen Club für Berlin tragen“, der Ende 2004 eröffnet – „aber nur, wenn sich genügend Aktionäre finden“, heißt es im Tagesspiegel. Ist das nun eine Drohung oder ein Versprechen? Bisher sind es angeblich „bereits über 750“, womit jedoch noch nicht gesagt ist, wie vielen armen Prominenten die Projektemacher Aktien geschenkt haben, um anschließend mit ihren Konterfeis liquide Anonyme zum Kauf zu überreden. Ein ähnliches System zur Finanzierung ihrer Kneipen und Clubs wenden auch fast alle linken Projektemacher in Istanbul an, nur dass sie dabei v. a.auf die Festangestellten in ihrem Bekanntenkreis bauen, d. h. auf die wenigen ihnen bekannten Gutverdiener, die sie zum Aktienkauf überreden – gegen eine lebenslange kostenlose Bewirtung. Dagegen ist Goya, indem es konzeptionell auf dünnste Prominenz und Events setzt, geradezu asozial.
Aus diesem Grund wächst denn auch mit jeder ganzseitigen Goya-Anzeige im Tagesspiegel und jeder achtseitigen Verlagsbeilage der Berliner Zeitung die Schar derer, die das Ganze für einen grotesken Unsinn halten – für eine dieser lächerlichen Kriegsgewinnlerblüten in der Hauptstadt: in einer Reihe mit dem Lausitzring, dem Cargolifter, der Chipfabrik an der Oder, dem Potsdamer Platz, Heiligendamm, den 15 Golfplätzen im Umland, dem Lehrter Bahnhof, der Filmstadt Babelsberg und der ganzen Bugarchitektur bei den neuen Bürohochhäusern … Aber zugegeben sei, dass „der ultimative Hauptstadtclub Goya“ da gut reinpasst! HELMUT HÖGE