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„In den letzten drei, vier Tagen haben wir die Sonne nicht mehr gesehen“

■ Interview mit einem Flüchtling aus Basra über die Lage in der zerstörten Stadt INTERVIEW

Die südirakische Hafenstadt Basra mit ihren Ölanlagen gehört zu den am heftigsten bombardierten Städten des Iraks. In der Nacht zum Sonntag war sie pausenlos Ziel alliierter Luftangriffe. In ihrer Nähe ist auch die irakische Eliteeinheit „Republikanische Garde“ stationiert, ein bevorzugtes Ziel der gegenwärtigen Angriffe. Flüchtlinge aus der Region, die Jordanien erreicht haben, berichten schon seit längerem von schweren Zerstörungen in der Stadt. Der Korrespondent der BBC in Amman konnte zum ersten Mal ein Gespräch mit einem Augenzeugen führen, der aus Basra geflüchtet ist.

Der indische Ingenieur: Sie haben uns alle fünfzehn Minuten bombardiert. Eine Bombe ist etwa dreißig Meter von mir entfernt explodiert. Ich wurde wie ein Ball gegen eine Wand geschleudert. In dieser Nacht fielen zwölfmal Bomben um mich herum. Nur ein Gebäude blieb intakt. Wir hatten einfach nur Glück. Wir haben Gott angefleht, daß er uns nach Indien zurückkehren läßt.

BBC: Wie sieht Basra denn jetzt aus? Ist die Stadt sehr schwer zerstört worden?

Die Stadt ist weitgehend zerstört. Das Kommunikationszentrum ist teilweise zerstört, ebenso die Ölraffinerien und alle übrigen wichtigen Bauwerke. Sie haben vor allem die Lagerhäuser angegriffen, weil sie annahmen, dort wäre Munition gelagert.

Was war denn drin?

In den Lagerhäusern war Munition, Patronen für Gewehre. Es waren viele Menschen dort, als die Bomben explodierten.

Wie ist das Leben in Basra? Sind die Leute jetzt nicht vollkommen verzweifelt?

Sie haben große Angst. Weil es auf die Wohnviertel von Basra mindestens vierzig oder fünfzig Angriffe gegeben hat. Basra ist vollkommen von Rauchwolken bedeckt. In den letzten drei, vier Tagen haben wir die Sonne nicht mehr gesehen, nur noch Rauchwolken.

Haben Sie zivile Verletzte und Todesopfer gesehen?

Ja. Ich selbst habe mindestens fünfundzwanzig Tote gesehen. Ein Bombenhagel folgte dem anderen, jedesmal fielen neue Trümmer, die Toten wurden von einem Ort zum anderen geschleudert, auch abgerissene Beine, Köpfe, man konnte nicht entscheiden, welche Körperteile zu welchem Körper gehören.

Wie versorgen sich die Menschen mit Wasser und Lebensmitteln?

Viele Leute sind zu mir gekommen, viele junge Leute die nur einen Laib Brot hatten. Sie hatten nichts, kein Essen, kein Wasser, keinen Strom, nichts.

Wie ist die Stimmung der Menschen? Sie sagen, es gäbe kaum Lebensmittel oder Wasser. Meinen Sie, sie können noch lange durchhalten?

Nein. Ich denke, sie werden es noch drei oder vier Tage durchhalten. Denn die Lebensmittelvorräte werden in drei oder vier Tagen erschöpft sein. Wenn nach dreißig Tagen die Leute immer noch da sind und die Kämpfe beginnen, werden sie weglaufen, sie werden nicht mehr kämpfen können.

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