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Archiv-Artikel

ITALIEN: SILVIO BERLUSCONI KÖNNEN DIE MASSENPROTESTE NICHT SCHADEN Alternativlose Opposition

Silvio Berlusconi dürfte am Samstag ziemlich nervös ins Bett gegangen sein. Denn gerade war ein Remake eines Klassikers aufgeführt worden, das bei ihm unschöne Erinnerungen auslösen musste. Das Setting: Rom im Spätherbst; die Hauptdarsteller: Ministerpräsident Berlusconi – und gegen ihn die Spitzen der drei Gewerkschaftsbünde, dazu in den Massenszenen gut eine Million aufgebrachte Gewerkschafter; das Drehbuch: Silvio macht an den Renten rum, doch die Enterbten lassen sich das nicht bieten und organisieren sich zur friedlichen Invasion in der Hauptstadt.

Die Vorlage für das Remake ging 1994 über die Bühne, mit einem für Berlusconi unerfreulichen Ende: Wenige Tage nach dem Millionenprotest der Gewerkschaften musste er überstürzt aus dem Palais des Ministerpräsidenten ausziehen. Und doch dürfte Berlusconi am Wochenende ruhig geschlafen haben. Er selbst weiß nur zu genau: Eine Wiederholung von 1994 muss er nicht fürchten. Denn schon damals war es nicht der wütende Protest der Gewerkschaften, der ihn zum Rücktritt zwang. Es war allein die innere Zerrissenheit seiner Koalition: Was Millionen Demonstranten nicht gelang, schaffte damals ein Einzelner – Umberto Bossi von der Lega Nord per Koalitionsbruch.

Ob dagegen die drei Gewerkschaften eine Million oder gar – wie im letzten Jahr – drei Millionen Menschen auf die Straßen bringen, ist dem Ministerpräsidenten egal. Die da protestieren, sind in der übergroßen Mehrheit sowieso nicht seine Wähler; und die ihn wählen, sind ihrerseits fast durch die Bank den großen Gewerkschaftsbünden herzlich abgeneigt. Die Oppositionellen im Land mögen bei den periodisch wiederkehrenden Massendemonstrationen gegen Berlusconi Mut schöpfen, sie mögen sich und der Welt auch zeigen, dass nicht ganz Italien zu Berlusconiland geworden ist. Die Rechtsregierung werden sie jedoch nicht aus dem Amt jagen. Die wird, wenn überhaupt, erneut an ihren inneren Widersprüchen scheitern.

Sicherer wären die Renten mit Berlusconis Scheitern allerdings nicht. Mitte-Links am Ruder: Auch das wäre ein Remake – diesmal ein echtes allerdings. Es waren die heutigen Oppositionsparteien, die in den Jahren 1995–97 die Renten kräftig nach unten reformierten, den demografischen Faktor einbauten und – Riester auf Italienisch – den Versicherten auftrugen, per private Vorsorge die vom Staat gerissenen Löcher zu stopfen. Die Mitte- links-Parteien stehen auch jetzt wieder bereit. Am Samstag marschierten ihre Chefs zwar mit, aber bloß gegen Berlusconi. Nicht gegen seine Reform: Die kommt auf jeden Fall, auch unter einer Mitte-links-Regierung – dann aber natürlich „im Dialog mit den Gewerkschaften“. MICHAEL BRAUN