ITALIEN: ES DAUERT ZU LANGE, DAS JUSTIZSYSTEM IN ORDNUNG ZU BRINGEN : Berlusconi, der Verjährungsmeister
Fünf Jahre hatte Silvio Berlusconi als Regierungschef Zeit, alle seine juristischen Probleme mit trickreichen Gesetzesänderungen aus der Welt zu schaffen. Mit bescheidenem Erfolg, wie es scheint. Am Montag jedenfalls ging in Mailand die Voranhörung zu einem neuen Prozess gegen Berlusconi los. Geschmiert hat er mutmaßlich einen britischen Anwalt, damit der die Klappe hält über das Schattenreich von Auslandsfirmen, in dem Berlusconi hunderte Millionen Euro Schwarzgelder hin- und hergeschoben haben soll. Jetzt droht Berlusconi deswegen der x-te Prozess wegen Korruption.
Doch Italiens Zeitungen verbannten die Meldung auf die hinteren Seiten: So recht glaubt niemand, dass dem Gerichts-Routinier diesmal eine Verurteilung oder gar der Gang in den Knast droht. Ganz unnütz war nämlich das Wirken seiner Anwälte, die zugleich als Abgeordnete zahlreiche Gesetze kräftig umschrieben, keineswegs. Das fängt an mit der Verjährung, die in Italien auch durch einen Prozess nicht unterbrochen wird: Die Berlusconi-Mehrheit verkürzte auch für Korruptionsdelikte die Verjährungsfristen drastisch. Bis Anfang 2008 müssen seine Anwälte das Verfahren verzögern, das durch drei Instanzen gehen wird – ein leichtes Spiel.
Bliebe noch die Politik: Die neue Prodi-Koalition hat ihren Wählern ja nicht zuletzt versprochen, die „Schandgesetze“ der alten Regierung wieder zu kassieren. Doch Italiens Gesetzgebungsmühle läuft ähnlich zäh und langsam wie die der Justiz. Jedes Gesetz muss durch beide Häuser, und im Senat hat Prodis Lager bloß eine hauchdünne Mehrheit. So wird Berlusconi seine juristisch-politische Doppelstrategie auch aus der Opposition heraus fortsetzen: Während seine Advokaten im Gerichtssaal mit immer neuen Anträgen auf Zeit spielen, werden die gleichen Herren – nun als Abgeordnete – im Parlament jede Gesetzesänderung zu torpedieren suchen. Sechsmal ist Berlusconi in der Vergangenheit mit Verfahrenseinstellungen wegen Verjährung davongekommen – und er darf sich schon jetzt, gleich zum Verfahrensauftakt, über Verjährung Nummer sieben freuen. MICHAEL BRAUN