INTERVIEW: „Waffen hat Teheran genug“
■ Mostafa Danesh über angebliche irakische Angriffe auf Schiiten, das Verhältnis zwischen irakischen Schiiten und Iran und die Politik Rafsandschanis
Der Exiliraner Dr.Mostafa Danesh lebt in Köln und arbeitet als Publizist
taz: Glauben Sie, daß die Bedrohung für die Schiiten im Südirak real ist?
Mostafa Danesh: Im Moment kann Saddam Hussein kein Interesse an blutigen Konflikten in seinem Land haben. Er ist international isoliert und der politische wie ökonomische Druck auf sein Regime hat nicht nachgelassen. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, daß er mit den Kurden Verhandlungen begonnen hat. Er will Ruhe im Land, um seine Machtposition abzusichern. Auseinandersetzungen im Süden stünden daher im Widerspruch zu seinen Interessen. Konkret bedroht sind die militanten pro- iranischen Schiitengruppen, die das irakische Regime mit bewaffneten Aufständen zu stürzen suchen und die Unterstützung des Mullah- Regimes in Teheran genießen.
Welche Ziele verfolgt dann Rafsandschani mit der Warnung vor einem Angriff der irakischen Truppen auf die Schiiten?
Nach der irakischen Niederlage im Golfkrieg hoffte Teheran, mit Unterstützung schiitischer Kreise im Süden des Irak im ganzen Nachbarland eine islamische Republik zu errichten. Bereits seit Jahren hatte die schiitische Opposition des Irak ihr Hauptquartier in Teheran aufgeschlagen. Während des iranisch- irakischen Krieges stellten diese Oppositionskräfte mit iranischer Unterstützung eine schiitische Exil-Armee von circa 12.000 Mann auf. Diese marschierten gleich nach der irakischen Niederlage im Golfkrieg im Süden des Irak ein. An ihrer Seite kämpften auch iranische „Pasdaran“. Der Aufstand scheiterte jedoch aus drei Gründen:
1.Saddam Hussein war trotz seiner Niederlage im Krieg gegen die USA in der Lage, massiv Truppen — besonders der Elite-Einheit der Republikanischen Garde — gegen den Aufstand zu mobilisieren und diesen blutig niederzuschlagen.
2.Die direkte Unterstützung für die aus dem Iran kommenden schiitischen Oppositionsgruppen war bei der irakischen Bevölkerung geringer als erwartet.
3.Obwohl die US-Administration die irakische Bevölkerung noch in den letzten Kriegstagen zum Aufstand gegen Saddam Hussein aufgerufen hatte, versagte sie diesem Aufstand jegliche Unterstützung.
Für Rafsandschani waren die irakisch-schiitischen Oppositionsgruppen von Beginn an eine Trumpfkarte im politischen Pokerspiel. Zum einen nutzte er sie, um seine innenpolitischen Widersacher vom radikalen islamischen Flügel zu beruhigen, zum anderen halfen sie ihm sich international als Schiedsrichter bei einer politischen Neugestaltung des Irak sowie der gesamten Region aufzuspielen. An Teheran sollte niemand mehr vorbeikommen können!
Kann sich der Iran zur Zeit ein militärisches Eingreifen im Irak leisten?
Voraussetzung für ein umfangreiches militärisches Eingreifen des Iran, das zu einer Neuauflage des iranisch-irakischen Krieges führen könnte, ist eine internationale Unterstützung oder zumindest Tolerierung. Daran arbeitet Teheran. Saddam ist isoliert und Rafsandschani trommelt international für eine Unterstützung der Schiiten im Irak. Die Gefahr eines direkten iranischen Engagements steht also, und Waffen hat Teheran genug.
Wie ist das Verhältnis zwischen irakischen Schiiten und Iran?
Khomeini hat gehofft, die irakischen Schiiten in seinem Sinne einsetzen zu können, aber diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Die Mehrheit der irakischen Schiiten ist nicht bereit, den Visionen Teherans zu folgen. Trotzdem halten Khomeinis Nachfolger an dieser Politik fest.
Was verbirgt sich hinter Rafsandschanis Politik der Öffnung zum Westen?
Innenpolitisch hat sich am Charakter des iranischen Regimes nichts geändert. Hinrichtungen, Folter, Mord, die Verfolgung jeglicher Opposition sind an der Tagesordnung. In dieser Hinsicht ist Rafsandschani kein „Gemäßigter“.
Wirtschaftlich liegt das Land am Boden. Zur Festigung seiner Macht benötigt Rafsandschani ökonomische Erfolge. Diese sucht er in einer engen Zusammenarbeit mit dem Westen zu erringen. In seiner Wirtschaftspolitik knüpft er damit nahtlos an die Traditionen des Schah-Regimes an. Weiterhin verfolgt Rafsandschani eine Politik der iranischen Hegemonie in der Region. Das kann er nur durch eine wirtschaftliche Gesundung und eine internationale Anerkennung durch den Westen erreichen. Vor diesem Hintergrund kommt dem bevorstehenden Bonn-Besuch Rafsandschanis eine Schlüsselrolle zu. Man wird diesen Besuch also daran messen müssen, ob die Bundesregierung, wie schon zu Zeiten des Schahs, bereit ist, ohne Wenn und Aber mit einem Folterregime zusammenzuarbeiten oder ob sie politische Liberalisierungen und die Achtung der Menschenrechte im Iran als Voraussetzung für eine Verbesserung der Beziehungen ansehen wird. Interview: Thomas Dreger
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