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Archiv-Artikel

INDISCHE VERHÄLTNISSE NUTZEN DEM STANDORT DEUTSCHLAND NICHT Unbegründete Globalisierungsängste

Die Zahlen der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad) verheißen Düsteres. Deutschland, so scheint es, ist der Verlierer bei Auslandsinvestitionen von Unternehmen. Schließlich ist die Republik auf dem Ranking der Organisation um ein paar Plätze abgerutscht. Doch der Eindruck täuscht. Die Studie untermauert lediglich eine Entwicklung, von der der Exportweltmeister Deutschland profitiert: den Prozess der globalen Arbeitsteilung. Einen besonderen Boom gibt es laut Unctad bei der Verlagerung von Forschung und Entwicklung in die aufstrebenden Ökonomien Asiens und Lateinamerikas. „Offshoring“ nennt sich dieser Trend, der internationale Konzerne Dienstleistungen an vielen Orten der Welt erledigen lässt – am besten dort, wo die niedrigsten Löhne gezahlt werden. Auch deutsche Unternehmen praktizieren das zu ihren Gunsten.

Verglichen mit den englischsprachigen Ländern ist Deutschland aber ein Offshoring-Muffel: Hiesige Firmen kaufen hundertmal weniger Arbeitskräfte und Know-how ein als die USA. Dafür gibt es gute Gründe. Nur 38 Prozent der befragten Firmen im „Offshoring Report 2005“ des IT-Verbandes Bitcom bestätigen, durch Offshoring tatsächlich Kosten eingespart zu haben. Ein gutes Viertel sieht seine Erwartungen an Offshoring-Lösungen nicht erfüllt. Unterschiede in Mentalität, Kultur, Rechtssystemen und bürokratische Hemmnisse lassen viele deutsche Unternehmen zögern, zum Beispiel ihre Gehaltsbuchhaltung oder Design-Abteilung nach Indien auszulagern. Langfristig werden durch die weltweite Arbeitsteilung auch hochqualifizierte Jobs im Ausland entstehen. Insgesamt wird die deutsche Exportwirtschaft wohl aber weiterhin zu den globalen Gewinnern zählen.

Es macht also keinen Sinn, mit dem Verweis auf chinesische Verhältnisse niedrigere Löhne oder geringere Sozialleistungen zu fordern. Nicht indische Softwareentwickler trüben das hiesige wirtschaftliche Klima, sondern die seit Jahren darniederliegende Binnennachfrage. Dieses Problem ist hausgemacht und kann nicht in Indien oder China, sondern nur hier gelöst werden. TARIK AHMIA