IM ORIENT-EXPRESS NACH KIEW UND ISTANBUL : Rock der Karpaten
Kobzar, so hießen jene Troubadoure, die im Mittelalter durch die Karpaten zogen. Mit ihrer Bandura, der ukrainischen Zither, trugen sie Hohelieder auf ruhmreiche Kosakenzeiten vor. Nach ihnen haben Haydamaky ihr Album benannt: ein Zeichen, dass sie sich diesen historischen Figuren verbunden fühlen.
Nicht nur die Bandura haben Haydamaky in ihren Sound eingebaut, auch Mandoline, Trompete, Akkordeon und Flöte tauchen darin auf. Aus Ska, Reggae und Rock und der Folklore ihrer Region schaffen sie ihre eigene Fusion.
Populär wurden Haydamaki im Zuge der „Orange Revolution“, weil sie ein neues Selbstbewusstsein zu artikulieren schienen. Ein Faible für Outlaw-Romantik ist unverkennbar: Sie haben sich nach Rebellen benannt, die im 18. Jahrhundert gegen polnische Vorherrschaft kämpften.
Ihr Pathos erinnert ein wenig an Bands wie System of a Down, auch runden sie ihre slawische Ästhetik gerne mit ein wenig Gothic-Grusel ab. Doch es wäre falsch, sie deshalb als Rammstein der Karpaten abzutun: Dafür sind sie zu vielseitig. Im Vergleich zum Vorgänger „Ukraine Calling“ haben sie auf „Kobzar“ einen Schritt nach vorne gemacht und auch für ruhigere Töne Platz gelassen.
Haydamaky: „Kobzar“ (Eastblok)
Ambient-Trip mit Mevlana
Vor 800 Jahren wurde der Mystiker Jalaluddin Rumi, genannt Mevlana, geboren. Er begründete den Orden der tanzenden Derwische, die sich um ihre eigene Achse in Trance drehen, und gilt als einer der wichtigsten Poeten und Philosophen jener islamischen Spielart, die man Sufismus nennt. Sein Grab liegt in Konya, im Süden der Türkei, und ist dort bis heute eine Pilgerstätte.
Grund genug für den Elektronik-Musiker Arkin Ilicali alias Mercan Dede, ihm zum Jubiläum eine Hommage zu widmen. Das kommt nicht von ungefähr, schließlich hat er sich bislang schon ausgiebig auf das spirituellen Erbe des Sufi-Meisters bezogen, seine Techno-Ambient-Klänge mit Motiven aus der musikalischen Mevlana-Tradition kombiniert und sogar Derwisch-Tänzer zu sich auf die Bühnen gesellt.
Für „800“ hat Mercan Dede Virtuosen an der Kanun-Zither, der Kniegeige Kemence und der indischen Tabla um sich geschart, außerdem den türkischen Rap-Star Ceza, während er selbst seine Beats nur subtil tuckern lässt.
Es soll sein letztes Album sein: Nach 15 Jahren als Musiker will sich Mercan Dede künftig lieber der Malerei, dem Gartenbau oder der Kochkunst widmen. „800“ wäre jedenfalls ein würdiger Abschied.
Mercan Dede: „800“ (Double Moon)
Nachtflug über den Balkan
Wer auch immer Lola sein mag: die Sampler aus dem Hause „Lola’s World“ sind eine Marke. Das gilt für die Compilation-Reihen wie „Latin Garden“, „Harem’s Secret“ oder „Made in Persia“, die von der Bremer DJane Gülbahar Kültür zusammengestellt werden und oft schon in die dritte Folgen gehen. Und das gilt für Titel wie „Afro Club Night“ oder jetzt die „Balkan Club Night“-Doppel-CD, für die sich ihr Kollege Ralph „von“ Richthofen verantwortlich zeichnet.
Seit über 25 Jahren legt Richthofen in Clubs und Diskotheken auf, außerdem ist er als Moderator beim WDR-Radio Funkhaus Europa zu hören. Seinen Spitznamen haben ihm US-amerikanische Musiker verpasst, mit denen er in den Siebzigerjahren als Produzent im Studio zusammenarbeitete, weil Richthofen damals ein rotes Fahrrad fuhr und zur Pilotenjacke eine Nickelbrille trug. Flugs griff er auf das „von“ als Künstlernamen zurück, als er sich als DJ zu betätigen begann.
Glaubt man seinen Compilations, hat der „rote Baron“ eine Vorliebe für bollernde Beats. Auf „The Balkan Club Night“ lädt er zu einem ausgiebigen Nachtflug über Osteuropa ein. Der Sampler fährt alle Größen der Balkanszene auf, von Fanfare Ciocarlia bis Shantel oder dem Slowenen Magnifico, und stellt nur eine Bedingung: Hauptsache, es knallt. BX
„Balkan Club Night“ (Lola’s World)