IM MÜGGELSEE : Rentnerbadehose
Wir parken am Vormittag mit Klein- und Mittelklasse am Strandbad Müggelsee, von dessen Existenz ich bis dato nicht wusste. Meine Schwester, die mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen zu Besuch in der Stadt ist, hat das vorgeschlagen, und ich frage mich, warum jemand, der sich am Frankfurter Rand tagtäglich von Hunderten Maschinen überfliegen lässt, sich so gut am Berliner Rand auskennt, wo ich doch hier und sie nicht, aber das führt zu nichts.
Wir suchen uns einen Platz auf der Wiese und cremen die Kinder ein. Ich bemerke, dass ich in der morgendlichen Hektik die Badehose vergessen habe, es ist jetzt schon heiß, und der See ruft. Der Sohn und die Neffen sind bereits im Wasser. Die Tochter will mitkommen.
Wir laufen zum Hauptgebäude. In einem Laden werden Rentner- und Proll-Badehosen verkauft, es sieht alles fürchterlich aus. In der Umkleidekabine ziehe ich eine gelb-blau-geblümte, schenkellange an. Die Tochter sagt „schön“. Ich sehe in den Spiegel. „Nee“, sage ich, „das geht gar nicht.“ Dann sage ich, „ich bin jetzt Rentner“ und halte ihr eine kurze dunkelblaue hin. „Okay“, sagt sie.
Der See ist kurz vorm Umkippen, es riecht modrig. Ich lasse die Tochter bei meiner Schwester und gehe zum Sohn, der mit seinen Schwimmflügeln weit draußen ist. Ich laufe und laufe, es wird nur wenig tiefer. Als ich den Sohn erreiche, stehe ich bis zum Bauch im Wasser, Schultern und Kopf von ihm gucken raus. Ein ADAC-Hubschrauber überfliegt uns. Der Sohn beobachtet ihn und sagt, als er Richtung Brandenburg verschwunden ist, „den habe ich auch“. Neffe 1, zehn Meter entfernt, ruft „ich auch“. Ich wende mich um. Neffe 2 ist gerade Arm in Arm mit der Tochter ins Wasser gefallen. Die Schwester holt sie wieder raus. „Pah“, sagt der Sohn, „die können noch nicht schwimmen“, und läuft mit seinen Flügeln Richtung Stadtmitte. BJÖRN KUHLIGK