IM DAUERSTAU : Alle Räder stehen still
ILONA EVELEENS
Hoher Blutdruck, Kopfschmerzen, Zittern und Wutanfälle: Wer in Kenia diese Symptome zeigt, ist vermutlich soeben Auto gefahren. Die Hauptstadt Nairobi gilt für Autofahrer als die schlimmste Afrikas, weltweit nur noch von Mexiko-Stadt, Peking und Shenzhen übertroffen. Schon vor ein paar Jahren waren die Hauptstraßen schon oft überfüllt – heute brauchen Automobilisten doppelt so lange. Taxifahrer haben ihre Preise stark erhöht, weil sie pro Tag immer weniger Kunden transportieren können. Lkws sind immer länger unterwegs, also brauchen Transportfirmen immer mehr Fahrzeuge und Fahrer, um Waren rechtzeitig zu liefern. Täglich verliert Kenias Wirtschaft durch Stau eine halbe Million Euro, sehr viel Geld für ein Entwicklungsland.
Es gibt dafür viele Gründe. Das Straßennetz ist zu klein. Bei Kenias Unabhängigkeit 1963 lebten in Nairobi 350.000 Menschen – heute sind es vier Millionen. 205.000 von ihnen haben Autos, 30 Prozent mehr als noch vor vier Jahren.
Das Fahrverhalten hilft nicht. Die Matatus, die allgegenwärtigen Kleinbusse, fahren auch mal auf der falschen Straßenseite, wenn es dort vermeintlich schneller geht. Die Polizei lässt sich kaufen. Am schlimmsten ist das Chaos zum Monatsende, wenn die Gehälter gezahlt werden. Jeder Autofahrer hat wieder Bargeld, kann wieder Benzin kaufen und fährt Freunde besuchen.
Auch das Wetter spielt eine große Rolle. In der Regenzeit überschwemmen manche Straßen, Autofahrer suchen Umwege. Und wenn die ersten Tropfen fallen, springt jeder ins Auto, egal ob seine Arbeitszeit zu Ende ist oder nicht, und fährt nach Hause, um nicht im Stau zu stecken. Was dann natürlich erst recht passiert.
Eigentlich will sich Kenia als führender Wirtschaftsstandort im boomenden Ostafrika etablieren. Aber internationale Geschäftsleute können schon auf dem Weg vom Flughafen von Nairobi in die Innenstadt verzweifeln. So suchen sie nun selbst Lösungen. IBM, das sich 2012 in Nairobi angesiedelt hat, sammelt Verkehrsdaten zusammen mit dem Internetprovider Access Kenya und dem schwedischen Telefonkonzern Ericsson. Aus den Daten sollen Ratschläge an den Staat für ein verbessertes Verkehrswesen entstehen. Dafür hat IBM sich ein Simulationscomputerspiel ausgedacht. Die Suche nach Lösungen für die Verkehrsstaus soll ja auch Spaß machen.