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I N T E R V I E W ANC drängt auf Sanktionen der Frontstaaten

■ Alfred Nzo, seit Ende der fünfziger Jahre Generalsekretär der ANC, äußert sich auf dem Kongreß in Gaberone zu den Schwierigkeiten der Nachbarstaaten von Südafrika,eine gemeinsame Politik gegen den Apartheidstaat zu entwickeln

taz: Sie haben bei dieser Konferenz erneut zu umfassenden Sanktionen gegen Südafrika aufgerufen. Einige SADCC–Länder haben zwar über Sanktionen gesprochen, doch konkrete Schritte gibt es bisher keine. Botswana hat diese Woche sogar unzweideutig gesagt, daß es keine Sanktionen gegen Südafrika verhängen wird. Nzo: Das Ziel von SADCC ist es, diesen Ländern zu helfen, vollkommen unabhängig von Südafrika zu werden. Es ist unrealistisch, die Verwirklichung dieses Ziels über Nacht zu erwarten. Deshalb ist es überaus wichtig, diese Länder mit allen möglichen Mitteln zu unterstützen. Die politische Gruppierung dieser Länder, die Frontlinienstaaten (Angola, Botswana, Mosambik, Sambia, Zimbabwe, Tansania), haben selbst beschlossen, daß sie im Laufe der Zeit Sanktionen gegen Südafrika verhängen werden. Für uns ist es wichtig, daß diese Region sich nicht gegen die Strategie der nationalen Befreiungsbewegung gewandt hat. Aber wir sind Realisten. Wir erwarten nicht, daß sie morgen Sanktionen verhängen werden. Wir werden diese Länder nicht verurteilen, weil sie, aufgrund historischer Realitä ten, dieses Ziel nicht erreichen können. Diejenigen, die das SADCC–Programm unterstützen, sollten dies so schnell wie möglich tun, sodaß diese Länder dann in der Lage sind, umfassende Sanktionen zu verhängen. Das Programm des ANC für dieses Jahr sieht eine weitere Intensivierung des Kampfes innerhalb Südafrikas vor. Das wird doch auch schwere Folgen für die Nachbarländer haben. Je verzweifelter das Botha–Regime ist, desto abenteuerlicher geht es vor. Natürlich muß die Region Angriffe des Apartheid–regimes erwarten, bis die Apartheid zerstört ist. Besonders jetzt, vor der Wahl, sind viele Sachen zu erwarten. Botha wird der Ultrarechten demonstrieren wollen, daß er noch immer handeln kann. So werden sie abenteuerliche Aktionen gegen Nachbarländer durchführen. Das wichtigste Ziel der SADCC ist es sicherlich, wirtschaftlich unabhängig vom Apartheid–Staat Südafrika zu werden. Was soll aber aus SADCC werden, wenn Südafrika frei ist? Die Probleme dieser Region sind ein Resultat der Existenz des Apartheidregimes. Die SADCC–Länder müssen zahlreiche Opfer bringen, weil sie uns im Kampf für nationale Unabhängigkeit unterstützen. Das Apartheidregime tut alles in seiner Macht stehende, um diesen Prozeß zu blockieren: Es versucht, die nationale Befreiungsbewegung innerhalb der Region zu isolieren. Es ist deshalb unvorstellbar, daß wir diesen Völkern nicht helfen werden, wenn wir unsere Unabhängigkeit vor dem Hintergrund ihrer Opfer gewonnen haben. Ohne Zweifel werden wir uns als unabhängiger, demokratischer Staat dafür einsetzen, daß die Schäden der Vergangenheit so schnell wie möglich repariert werden. Denn wir wissen, daß diese Schäden eine Folge der Unterstützung sind, die diese Völker unserem Kampf gegeben haben. Wenn der ANC an die Macht kommen sollte, würden wir dafür sorgen, daß ein neues Südafrika ein volles Mitglied von SADCC wird, solange man die Existenz von SADCC nach der Abschaffung des Terrorregimes in Südafrika für nötig hält. Wir erwarten nicht, daß Südafrika aufgrund seiner wirtschaftlichen Position die Region beherrschen will. Sonst wäre es gerechtfertigt, wenn diese Länder den Kampf gegen Südafrika weiterführen würden.

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