: Hessen: SPD provoziert die Grünen
■ Änderungsvorschläge der Sozis zum Geheimdienstgesetz gefährden rot-grüne Option für die Landesregierung
Frankfurt/Main (taz) —Einer der letzten Optionsscheine für eine rot- grüne Landesregierung im neuen Deutschland verliert an der Politbörse dramatisch an Wert: Als „geradezu dämlich“ bezeichnete in Wiesbaden der grüne Realpolitiker und Landtagsabgeordnete Rupert von Plottnitz (50) das Verhalten der hessischen SPD bei der Konzipierung eines neuen Gesetzentwurfs zur Kontrolle des Verfassungsschutzes. Mit den von den Sozialdemokraten vorgelegten Änderungsanträgen zur CDU/FDP-Regierungsvorlage habe die SPD-Fraktion im Landtag das von beiden Seiten (noch) gewollte Modell einer rot-grünen Koalition nach den Landtagswahlen im Januar 1991 „extrem gefährdet“. Plottnitz: „Die Sozialdemokraten glauben doch nicht ernsthaft, daß die Grünen zu einer Koalition mit einer Partei bereit sind, die sie etwa aus dem parlamentarischen Kontrollgremium für den Verfassungsschutz heraushalten will.“
In der Tat sind die Änderungsvorschläge der SPD für das Geheimdienstgesetz, die bereits von der noch amtierenden Regierungskoalition mit Beifall kommentiert wurden, eine Provokation für die Grünen. Mit denen möchte die SPD — nach einem immer unwahrscheinlicher werdenden Sturz Wallmanns vom Ministerpräsidentensessel — eigentlich die sozial-ökologische Koalition der Jahre 1985/86 fortsetzen. Folgt die CDU/FDP-Mehrheit im Landtag der Anregung der SPD, die Kontrollkommission für den Verfassungsschutz mit nur fünf Abgeordneten zu besetzen, bleiben die Grünen — an deren „Verfassungstreue“ die Union Zweifel angemeldet hatte — tatsächlich draußen vor der Tür. Mit ihrem Vorschlag habe die SPD sogar noch die derzeit geltende Regelung, wonach der Hauptausschuß des Landtages das Landesamt für Verfassungsschutz zu kontrollieren hat, „unterboten“, denn im Hauptausschuß sind die Grünen vertreten.
Ohnehin kämen auch die anderen Initativen der SPD zur vom Bundesverfassungsgericht erzwungenen Änderung des Geheimdienstgesetzes einer „Mogelpackung“ gleich. So werde dem parlamentarischen Kontrollgremium noch nicht einmal Einsicht in die Akten des Verfassungsschutzes gewährt. Die noch einzurichtende Kommission müsse im Gegenteil über einen Anwalt — oder etwa auch den Datenschutzbeauftragten — ein solches Einsichtsrecht begründet beantragen. Die ganze Vorlage sei deshalb eine „schlechte Kopie“ der Vorschläge, die bereits der Vermittlungsausschuß des Bundesrates bei seinen Beratungen über eine bundeseinheitliche Regelung auf den Tisch gelegt habe. Auch die hessische SPD habe es abgelehnt, darüber nachzudenken, ob das vereinigte Deutschland überhaupt noch eine solche „politische Gesinnungspolizei“ wie den Verfassungsschutz brauche.
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