Heizpellets und Rodung: Im Ofen verschwindet Urwald

Holzpellets gelten als klimafreundlich. Nur: Für sie werden auch russische Urwälder illegal gerodet.

Pellets sind also gut für ein ruhiges Gewissen. Aber nur wenn man weiß, woher das Holz stammt. Bild: dpa

Kreissägen heulen, es kracht im Wald. Im Winter haben die Holzfäller Hochkonjunktur. In den feuchten Wäldern stapeln sich die Stämme am Wegesrand. Sie sind der Rohstoff, aus dem auch Holzpellets bestehen, die im Baumarkt und beim Holzhändler als sauberer Brennstoff angeboten werden. Anders als Öl oder Gas sind die aus Sägespänen und Restholz gepressten Energieträger CO2-neutral. Sie setzen bei der Verbrennung nicht mehr Treibhausgase frei als die Bäume aufgenommen haben. Pellets sind also gut für ein ruhiges Öko-Gewissen. Aber nur wenn Verbraucher wissen, woher das Holz stammt.

„Die Gerüchte über den Einsatz dubioser Holzquellen aus Osteuropa für Pellets halten sich in der Branche hartnäckig“, sagt Jenny Walther-Thoß von der Umweltorganisation WWF. Auffällig ist: Während der Pelletabsatz wächst, ist der Holzeinschlag in Deutschland schon seit 2007 rückläufig. In Osteuropa steigt er dagegen rasant: In Ländern wie Rumänien, Slowakai oder Slowenien legt er seit zehn Jahren kontinuierlich zu. Besonders auffällig ist der Anstieg in Polen, wo der Einschlag nach Angaben von Eurostat zwischen 2002 und 2013 von 27 Millionen Kubikmeter auf über 37 Millionen Kubikmeter angestiegen ist – um rund ein Drittel. Und gerade nach Polen sind die Lieferwege kurz.

Dennoch geht niemand der Sache auf den Grund. „Um einen illegalen Holzhandel nachzuweisen, müsste man vor Ort recherchieren“, sagt Jenny Walther-Thoß. Der WWF hat das bisher nicht getan. Und die Pelletbranche will dies auch in Zukunft nicht machen. Für ein solches „Forschungsvorhaben“ gebe es kein Geld, teilt der Deutsche Energieholz- und Pelletverband (DEPV) mit. Sollte es illegale Holzverwendung geben, seien es Einzelfälle, heißt es beschwichtigend.

Hat die Branche, die 2014 für deutlich über eine halbe Milliarde Euro Pellets verkauft, nicht mal das Geld für ein paar Flüge Richtung Osteuropa und Russland? Sicher: 85 Prozent der etwa 2¼ Millionen Tonnen Pellets, die in diesem Jahr verkauft werden, stammen aus deutschen Wäldern und werden in deutschen Werken gepresst, so das Thünen-Institut für internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie in Hamburg. Der Großteil dieses Holzes stammt aus Sägewerken der hiesigen Möbelindustrie – eine echte Resteverwertung.

Die letzten Urwälder Europas

Aber immerhin jeder siebte Sack Holzpellets kommt aus dem Ausland. „Es gibt Pellets aus Litauen, der Ukraine und von sonst woher. Wenn man nicht darauf achtet, kauft man Holz aus Karelien mit ein“, warnt Mario Sobottka, Prokurist des Berliner Energiehändlers Leuendorff, der auf regionale Pellets setzt. Wer solche Ware bedenkenlos einsetze, gehe das Risiko ein, russische Urwälder in seinem Ofen zu verheizen. Hintergrund: Die Wälder in Karelien, ein riesiges Gebiet auf beiden Seiten der russisch-finnischen Grenze, gehören zu den letzten Urwäldern Europas. Wie dubios die Methoden der dortigen Firmen sind, haben schon 2011 Recherchen des ARD-Magazins PlusMinus offengelegt.

Sie haben gezeigt, dass der schwedische Möbelriese IKEA – Umsatz: 3,6 Milliarden Euro – auf der russischen Seite Kareliens Kahlschlag in besonders geschützten Waldgebieten betreibt. Und das mit Einverständnis des Forest Stewardship Council (FSC), der der IKEA-Tochter sein begehrtes FSC-Siegel verliehen hat. FSC und IKEA verweisen darauf, dass Kahlschlag in Russland – anders als in Zentraleuropa, wo eher einzelne Bäume entnommen werden – traditionelle Praxis sei und die Waldstücke wieder aufgeforstet würden. Gerade wegen solcher Fälle und einer insgesamt kaum kontrollierten Waldwirtschaft klingeln für Umweltschützer beim Stichwort „Holz aus Russland und Osteuropa“ sämtliche Alarmglocken.

Illegale Holzimporte? Dagegen hat die EU 2013 eigens die Europäische Holzhandelsverordnung (European Timber Regulation – EUTR) verabschiedet. Damit, so die Idee, sollen künftig keine Hölzer mehr aus illegalen Rodungen in die Gemeinschaft gelangen. „Damit ist jeder Marktteilnehmer verpflichtet, so weit wie möglich zu verhindern, dass Holzprodukte, die er erstmals in Verkehr bringt, aus illegalen Quellen stammen“, erläutert Ulrich Bick, Forstwissenschaftler vom Thünen-Institut. „Auch der Pellethersteller ist in der Pflicht, seine Quellen zu prüfen.“ Dabei reicht es allerdings schon zu zeigen, dass der Rohstoff aus der EU stammt. Dann gehen die Behörden davon aus, dass jedes Mitgliedsland über seine Aufsichtsbehörden die Illegalität von Holzimporten ausgeschlossen hat.

„Die Prüfer der zuständigen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung schauen sich nur die Rechnung an. Stammt die aus der EU, nicken sie das ab“, sagt Andreas Back, verantwortlich für Umwelt- und Qualitätsstandards bei der Baumarktkette Hornbach über die Anstalt unter der Aufsicht von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). Die Pfälzer Baumarktkette Hornbach bietet Pellets aus Skandinavien und den baltischen Staaten an. „Ob das jeweilige EU-Land die geltenden Regelungen bereits umgesetzt hat, ist dafür unerheblich“, erklärt Back.

Illegale Importe

Tatsächlich wäre das aber entscheidend. Nicht alle Staaten haben die Holzhandelsverordnung in nationales Recht übertragen – von der praktischen Kontrolle ganz zu schweigen. Während zum Beispiel Deutschland, Estland und die Slowakei sämtliche Auflagen erfüllt haben, gab es bis zuletzt laut EU in Polen weder eine zuständige Behörde noch waren Strafen für illegale Importe erlassen worden. Auch in Frankreich, Griechenland, Italien, Lettland und Spanien war die Verordnung nicht implementiert. Und niemand weiß, wann das der Fall sein wird. Eine Deadline zur Umsetzung in nationales Recht sieht die EU nicht vor. Solange können in diesen Ländern auch Holzreste aus illegal gefällten Bäumen in den Pellets landen.

Back weiß das. Hornbach verlange deshalb von den Lieferanten zusätzlich „eine Bestätigung, dass das verwendete Rohmaterial aus nachhaltigen und sozial verantwortlichen Quellen stammt“. Auch andere Händler wie etwa die Münchener BayWa sichern sich so ab. „Aber wenn jemand kriminelle Energie aufbringt und falsche Erklärungen zur Holzherkunft abgibt, können wir nicht viel tun“, so der Hornbach-Manager.

Und solche Vergehen würden auch viel zu lasch bestraft, kritisiert Greenpeace-Waldexpertin Gesche Jürgens. „Wer in Deutschland illegales Holz in Verkehr bringt, muss nur mit geringen Sanktionen rechnen. Vorsatz und wiederholte Vergehen müssen nachgewiesen werden. Sonst ist das nur eine Ordnungswidrigkeit wie Falschparken.“ Darum müssten die Pelletanbieter ihre Bezugsquellen offenlegen.

Doch viele mauern. Deutschlands größter Hersteller German Pellets aus Wismar will sich gegenüber zeo2 nicht zu seinen Importen äußern. Die Firma komme der „Sorgfaltspflicht im Rahmen der EU-Handelsverordnung nach“, heißt es schmallippig. Außerdem sei der Großteil der Lieferanten nach den internationalen Nachhaltigkeitsstandards für Holz „FSC-“ und „PFPC“-zertifiziert. Doch was ist mit den Rohstofflieferanten, die keine Zertifizierung haben oder aus Ländern importieren, in denen die Verordnung bisher nicht umgesetzt ist? Dazu äußert sich German Pellets nicht.

„Es fehlt in der Branche an Transparenz“, bemängelt WWF-Expertin Walther-Thoß. „Für Holzkohle gibt es Beispiele, bei denen die Herkunft bis zum Sack im Baumarkt nachweisbar ist. Für Pellets fehlt eine solche Kette.“ Auch das Siegel der deutschen Pelletindustrie EN Plus, das auf vielen Beuteln prangt, schützt nicht vor unerwünschtem Urwald im Pellet. „Das Siegel prüft Brenneigenschaften, Aschegehalt und andere Parameter. Es ist aber kein Kriterium, um zweifelhafte Ware bei der Herstellung der Pellets auszuschließen. Die Herkunftsangaben der Hölzer werden nicht überprüft, die Selbstauskunft der Holzlieferanten reicht.“

Pelletwerke in Bayern und Baden-Württemberg

Beispiel: „Uns ist der Fall eines Pelletwerkes bekannt, das zwar zertifiziert ist, bei dem aber Zweifel bestehen, wo die Rohstoffe im Einzelnen herstammen“, sagt Walther-Thoß. So können „Qualitätspellets“ mit unerwünschten Inhaltsstoffen auch nach Deutschland gelangen.

Der Pelletverband räumt Nachholbedarf ein. „Wir können uns sicherlich noch verbessern. Doch eine hundertprozentige Sicherheit, dass ausschließlich legales Holz verwendet wird, gibt es bei keinem Holzprodukt“, erklärt Geschäftsführer Martin Bentele. Vielen Händlern sei das Problem nicht klar. Sie wüssten oft gar nicht, wo das Produkt herkommt, und nicht auf allen Säcken wird das Produktionsland angegeben. Er empfiehlt Verbrauchern, beim Einkauf einen Herkunftsnachweis zu verlangen. Die BayWa versucht, der Unsicherheit mit dem Einkauf regionaler Ware zu begegnen. „Wir kaufen mehr als 85 Prozent unserer Pellets direkt bei süddeutschen Herstellern ein“, erklärt Vertriebsleiter Emil Sopper.

Die meisten Pelletwerke in Bayern und Baden-Württemberg unterhielten eigene Sägewerke und nutzten damit Rohstoffe aus der direkten Holzverarbeitung. Ein Import von Resthölzern macht im waldreichen Bayern meist auch wirtschaftlich keinen Sinn. Doch in Nord- und Ostdeutschland ist das anders: Dort gibt es weniger eigenen Wald. Und die Preise für hiesige Sägespäne und Pellets haben in den letzten Jahren kräftig zugelegt. Da fallen Transportkosten aus Osteuropa nicht mehr so stark ins Gewicht.

Oliver Ristau, der Artikel ist erschienen in der Ausgabe zeo2 1/2015. Den Artikel können Sie gerne auf unserer Facebook-Seite diskutieren.