Hegemonie statt Demokratie : KOMMENTAR VON DANIEL BAX
Als der Krieg im Libanon vor drei Wochen begann, gingen einige arabische Staaten auf Distanz zur Hisbollah: Jordanien, Ägypten und Saudi-Arabien sprachen von „Abenteurertum“ und warfen der Schiitenmiliz vor, Israel mit der Entführung zweier Soldaten provoziert zu haben. Aber die Einseitigkeit, mit der die USA seitdem Israel unterstützen, hat die arabischen Kritiker in ein Dilemma gestürzt. Selbst ihre Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand verhallt ungehört.
Sprachlos sei man über „die unsägliche Parteilichkeit der internationalen Gemeinschaft“, sagte der türkische Delegierte auf der Konferenz der islamischen Staaten gestern in Malaysia. Weder der UN-Sicherheitsrat noch die EU haben Israels Offensive bislang verurteilt oder einen Waffenstillstand gefordert. Dafür spüren vor allem die mit den USA verbündeten arabischen Regime den Druck der Straße: Die Bilder, die täglich auf al-Dschasira und anderen Sendern zu sehen sind, sorgen von Casablanca bis Bagdad für Empörung.
Mögen viele arabische Sunniten auch Angst haben vor einem „schiitischen Halbmond“, den sie zwischen Iran, den Schiiten im Irak und der Hisbollah im Libanon heraufziehen sehen, und Teherans nuklearen Ambitionen misstrauen: Noch nervöser macht sie die Vorstellung, die USA und Israel wollten mit Gewalt einen „neuen Nahen Osten“ nach ihren Vorstellungen formen. Am deutlichsten ist der Stimmungsumschwung im Libanon selbst. Seit dem Krieg ist alle Kritik an der Hisbollah verstummt, eine Mehrheit über alle Religionen hinweg (!) unterstützt jetzt deren militärischen Widerstand.
Konnten die USA bei den Kriegen in Afghanistan und im Irak noch behaupten, es ginge ihnen um den Demokratieexport, so ist dieses Argument nun haltlos geworden. Im Gegenteil: Mit ihren jüngsten Entscheidungen, die aus demokratischen Wahlen hervorgegangene Hamas-Regierung nicht anzuerkennen und den Libanonkrieg zu stützen, haben sie gezeigt, dass ihnen die militärische Hegemonie wichtiger ist.
Ausgerechnet der Libanon, der mit seiner Zedernrevolution doch Vorbild sein sollte für die arabische Welt, wird nun diesen Machtinteressen geopfert. Nicht nur im Libanon fühlen sich viele deshalb von Washington verraten.