: Heftige Proteste bei Plädoyer im NS–Euthanasieprozeß
Frankfurt (ap) - Es sei fraglich, ob die „Euthanasie“ in der NS– Zeit als Mord bezeichnet werden könne, meinte am Dienstag im Ärzteverfahren vor dem Frankfurter Landgericht der Verteidiger des angeklagten Frauenarztes Aquilin Ullrich in seinem Plädoyer. Die Maßstäbe für Recht und Unrecht seien stets in die jeweiligen Zeitvorstellungen eingebunden, sagte der Frankfurter Rechtsanwalt Wolfgang Meub und zog in seiner Argumentation Parallelen zwischen dem legalisierten Schwangerschaftsabbruch in der Bundesrepublik und der „Aktion T 4“ - der Tötung unheilbar Kranker - während des nationalsozialistischen Regimes. Bei den Ausführungen des Verteidigers gab es lautstarke Proteste im dichtbesetzten Zuschauerraum. Etwa 30 Behinderte in Rollstühlen und zahlreiche Mitglieder des „Bundes der Euthanasiegeschädigten und Zwangssterilisierten“ verfolgten den Prozeß. Meub, der auch noch den kommenden Verhandlungstag am 27. April für sein Plädoyer benötigt, forderte Freispruch für seinen Mandanten, ebenso wie es seine Kollegen für den Mitangeklagten Arzt Heinrich Bunke getan hatten. Beide sind der Beihilfe zum Mord an Tausenden psychisch Kranker angeklagt. Ullrich soll in der Anstalt Brandenburg an der Ermordung von 4.500 Patienten beteiligt gewesen sein, Bunke am Tod von 11.000 Kranken. Die Staatsanwaltschaft hat jeweils sechs Jahre Freiheitsentzug beantragt. Für die Verkündung des Urteils ist der 18. Mai vorgesehen.
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