Heftige Debatten um Rolle der DDR–Kirche

■ Die Kirche in Berlin–Brandenburg ringt auf einer Synode um ihr Verhältnis zum Staat / Heftige Debatte um das Verhalten gegenüber regimekritischen Menschenrechts–, Umwelt– und Friedensgruppen / Mehrheit der Kirchenleitung sieht sie als Träger „heilsamer Unruhe“

Berlin (epd/taz) - Das Recht und die Pflicht der Kirche, in Not geratenen Menschen zu helfen, haben der Ost–Berliner Bischof Gottfried Forck und andere Vertreter der Kirchenleitung unterstrichen. Dies gelte, ohne danach zu fragen, wie und weshalb jemand in Not geraten sei, stellte der Bischof den Kurs seiner Kirche dar. Vor der Synode der Evangelischen Kirche Berlin–Brandenburg in der OstBerliner Stafanusstiftung kam es am Wochenende zu einer heftigen Diskussion, als der Ost–Berliner Generalsuperintendent Günter Krusche Forck scharf kritisierte. Der Kurs der Kirche, so Krusche, habe zu einer Belastung des Verhältnisses von Staat und Kirche geführt und die Kirche erpreßbar gemacht. Er forderte eine klare Abgrenzung der Kirche von regimekritischen Menschenrechts–, Umwelt– und Friedensgruppen. Daraufhin stellte sich die Mehrheit der 17köpfigen Kirchenleitung demonstrativ hinter den Bischof. In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, daß die regimekritischen Gruppen eine „heilsame Unruhe“ in die Gesellschaft brächten und Fragen stellten, die „weithin in der Gesellschaft tabu sind“. „Wenn sich die Kirche Fragen der Menschenrechte, des Friedens und der Umwelt verschließt, versäumt sie ihren Auftrag“, erklärte Propst Hans–Otto Furian. Furian bestätigte, daß sich die Kirchenleitung auch künftig den thematisch arbeitenden Gruppen in der Kirche und ihren Herausfor derungen stellen werde. Das gilt nach den Worten Furians auch für Menschen, die als sogenannte Antragsteller oft „zermürbt, ratlos, gesellschaftlich oder auch persönlich isoliert“ zur Kirche kämen. Sich ihrer anzunehmen sei ursächlichste Aufgabe der Seelsorge. Der Propst machte die Herrschaftsideologie der SED–Führung für die unvermindert hohe Zahl von Bürgern verantwortlich, die die DDR verlassen wollten. Konsistorialpräsident Manfred Stolpe betonte, der Kirche sei es nicht möglich, Ausbürgerungen „zu vermitteln“. Sie könne es auch nicht hinnehmen, wenn kirchliche Veranstaltungen in „Ausbürgerungsveranstaltungen“ umfunktioniert würden. Für diese Probleme gebe es keine „Sofort– und Patentrezepte“, die Kirche sei jedoch gefordert, das Land attraktiver zu machen und die Ausreisegründe zu vermindern. In seiner Begrüßungsansprache hatte am Freitag Präses Manfred Becker die Hoffnung geäußert, den evangelischen Kirchenzeitungen würde erlaubt, eine „volle, ungekürzte Berichterstattung“ über die Tagung durchzuführen. Becker spielte damit auf staatliche Eingriffe in die Arbeit evangelischer Wochenblätter der letzten Zeit an. Bei ihren fünftägigen Beratungen wird die Synode auch die Situation von Ausländern erörtern, die zu Studium, Ausbildung oder Berufstätigkeit in der DDR leben. In einer Beratungsvorlage heißt es dazu wörtlich: „Leider sind auch im Bereich von Mittel– und Kleinstädten, in denen ausländische Mitbürger leben und arbeiten, in zunehmendem Maße Abgrenzungen, Vorurteile und Feindseligkeit zu beobachten.“